EKW019 Yvonne

Yvonne

Durchs Fenster strahlt die Sonne rein…
Ach Gott, das soll ein Anfang sein?!
Ja was? Nicht Avantgarde genug?
Klingt ausgelutscht und wenig klug?
Und Paarreim? Wie bei Wilhelm Busch?
Bei Loriot? Ja…, Bravo…, Tusch…

Wir sind im Jahre Zwanzig nach
Millenium-Bug und Expo-Schmach
(Was soll das sein? fragt ihr. Ich schrei:
Ey, was weiß ich?! War zwar dabei,
Doch bin ich alt und gammelig
Steht so im Netz. Was weiß denn ich?)

Na gut, dann strahlt die Sonne nicht…
Und nu‘? Wo isse? Wat weiß ich!
Schon explodiert? Ach nein? Was dann?
Wie fang ich‘s an? Sag’s, alter Mann!
Durch‘s Fenster strahlt halt IRGENDWAS:
Die Sonne, Lady Gaga, Gas…

Als wenn Gas strahlt… Dann gucks doch nach!
Gasstrahlung. Wikipedia. Ach?
Okay. Ein Fenster. ETWAS strahlt.
Ein Klimanotstand droht. Doch halt!
Die Rettung naht! Zu Plump…? Ach wie?
Wenn sie nicht naht, kommt sie dann nie?

Durchs Fenster… weißte was? Egal.
Rumms! Fenster zu! Du kannst mich mal.
Da kommt kein Gas und keine Sonne,
Und stattdessen kommt: Yvonne!
Wie man‘s schreibt, mit lautem „e“
Damit sich‘s reimt. Ach was? Ach nee.

Sie kommt, wie‘s sich normal gehört,
Durch eine Tür. Und sie betört
Den Dichter und die Musen und
Steht in der Wohnung. Ohne Grund.
Nur mit ´ner Wumme in der Hand.
Drückt ab. Lacht. Heulte. Und verschwand.

War das jetzt Avantgarde genug?
Mit Tempuswechsel, Tod und Trug?
Ganz ohne Sonne jedenfalls
Hat uns Yvonne plattgewalzt.
Okay. Erschossen. Wie auch immer.
Schlimm genug. Teil 2 wird schlimmer.

Hi, Matthias hier. Heute ist Freitag, der 9. Oktober 2020 und schon allein das wirst Du womöglich vollständig anders sehen. Bei Dir könnte schließlich auch Montag, der 12. Oktober 2020 sein. Es sei Dir völlig unbenommen, welches Datum Du gerade als das für Dich passende identifizierst. Ich bin auch vollständig fein damit, wenn für Dich noch Sommer ist oder das Jahr 2019. Diese Einleitung hier erfüllt einen deutlich anderen Zweck, als über die Relativität von Zeiterleben und die Nichtlinearität der Podcastnutzung zu schwadronieren. Das Schwadronieren selbst aber, das Geschwafel als solches, das ist es, was an dieser Stelle das einzig Wichtige ist. Das hast Du womöglich auch am ersten Gedicht dieser Episode bemerkt, hast Dir unter Umständen sogar einen kleinen Marker im Hinterkopf gemacht, einen Marker des Inhalts „Hm, komm mal zum Punkt, Alter!“ Mitten ins Schwarze, junge Freundin und Chapeau(!) mein junger Freund. Die Sache mit der Kreativität ist mal gar nicht so trivial. Klar, es ist was anderes, wenn du bereits seit Wochen oder Monaten diesen einen Gedanken mit Dir herumträgst. Dann geht es mehr ums Handwerk und den berühmten Tritt ins Hinterteil, diesen Gedanken, diese Idee dann einfach aufzuschreiben. Aber vorher wird’s halt schwer. Stell Dir vor, Du hättest irgendwann die dusselige Idee gehabt, einen täglichen Gedichtdingsi-Podcast zu veröffentlichen, in dem Du wegen Unlust, Dich mit Copyright etc herumzuschlagen, ausschließlich eigene Reimdingsis veröffentlichst. Dann brauchst Du eben genau das: Reimdingsis. Und zwar eine ganze Latte. Am Besten immer mehrere zu einem Thema, so dass die Episode jeweils einen schmissigen Titel bekommen kann. Wie „Jakob-Sisters“. Oder „Schleim“. Also musst Du häufig, genau, wenn gerade nix passendes zur Hand ist, neue Reimdingsis verfassen und Du sitzt dann da und machst einfach das, was Du immer tust, wenn Du keine Idee hast: Drauflosschwafeln. Nur in Strophen halt. Weil Lyrik und so. Und meistens schält sich so nach zehn, zwölf Zeilen irgendein Thema heraus. Wie bei so einem Bildhauer, der einfach mal anhängt loszuklöppeln und zack! Steht da ein Penis. Einfach weil der Penis bereits vorher im Stein steckte, man musste ihn nur noch herausschälen. Und genauso ist das mit dem Dichten. Ich suche einfach den Penis im Geschwafel und… Naja. Wenn Du den Penis dann gefunden hast, dann könntest Du anschließend anfangen, alles Nichtpenishafte drumherum einfach abzuschlagen. Aber das ist ja das nächste Problem. Wenn Du weißt: Morgen brauche ich schon wieder einen neuen Penis, dann könnte man das Nichtpenishafte ja auch lassen, wie es ist, und behaupten, dass das auch ein Penis ist, ein verkrüppelter Penis halt oder so, und damit hast Du auf einmal viel mehr Peniscontent, der möglicherweise auch bis morgen reicht. Das ist dann keine Kunst mehr, das ist große Kunst.

Yvonne II

Es lag der Herbst auf Stadt und Land
Und mittendrin im Herbst befand
Yvonne sich mit ihrem Kind
Das sich in ihrem Bauch befind

BEFAND! Ja Himmelkruzifix!
Yvonne heult… So wird das nix!
Yvonne HEULTE! Imperfekt!
Was hat man in dich reingesteckt

An Futter, Bildung, Antriebskraft
Damit‘s der Bub im Leben schafft
Und dann versägt er jämmerlich
Die Tempuswahl im Spottgedicht.

Und überhaupt: Man spottet nicht
Wenn eine Frau zusammenbricht
Die nur zu bald ein Baby kricht
Und sei’s auch nur für ein Gedicht

Denn alle wissen, dass Yvonne
Einst als reiner Reim für Sonne
In des Dichters Schaffen trat.
`Ne Schwangerschaft dagegen hatte

Diese Dame nie im Sinn
Gehabt, als sie zum Dichter hin
Geschludert ist und ihn erschossen
Hat. So froh und unverdrossen.

Lange her. Jetzt steht sie da,
Der Körper wohlgerundet. Zwar
Noch immer diesen Schelmenblick
Doch der dreht nicht die Zeit zurück

Zum unbeschwerten Töten alter
Männer, die ist flöten. Halt! Da…
Sagt sie grad „Moment, ich hole…“?
Und hat – schwupps – schon die Pistole

Aus dem letzten Reim zur Hand
Drückt ab. Lacht. Heulte. Und verschwand.

Schau mal. Erinnerst Du Dich noch an meine messerscharfe Analyse von vor dem zweiten Yvonne-Reimdingsi? Wir haben jetzt schon 7 Minuten und 50 Sekunden miteinander verbracht und ich hab erst zwei Penisse investieren müssen, um Dich einigermaßen brauchbar zu unterhalten. Ich denke, so wird man’s wohl machen müssen, damit wir noch ein wenig kurzweilige Zeit miteinander verbringen können. Eine andere Idee ist es, Hörerinnern und Hörer als Content-Generator_Innen mit einzubinden. Das mach ich vielleicht mal, wenn ich vollkommen verzweifelt bin und ich kann Dir aus heutiger Sicht nur dringend empfehlen: Sollte im Rahmen dieses Podcasts zu solchem Unsinn aufgerufen werden, dann weißt Du, dass die besten Zeiten vorbei sind. Du kannst ja noch ein paar Wochen an Bord bleiben, aber dann musst Du den Absprung schaffen. Und bevor Du das wirklich in Erwägung ziehst, muss ich noch schnell ein ganz wichtiges, ja, ich würd‘ fast schon sagen: Gedicht vortragen. Denn es liegt mir sehr am Herzen, dass auch Du es noch hörst. Bis hoffentlich bald! Tschüss!

Diese eine Sache

Mir gehts gut, ich hab Geld
Ich wohn nicht in Bielefeld!
Wohn in Jöllenbeck! (Was stört.
Weil‘s zu Bielefeld gehört.)

Alldieweil: Mir geht‘s gut
Und so geht‘s auch meiner Brut
Leben hier wär nicht schwer
Wenn nur Bielefeld nicht wär…

Ja okay, ich seh‘s ein!
Leben könnte schöner sein.
Diese Stadt in der Näh
Macht die Existenz schon zäh.

Also los, es muss sein,
Auf zum Rathaus, Bombe rein.
Es macht Bumm, oh wie dumm,
Keiner da, kein Schwein am Schrein.

Auf der Flucht, halb im Wahn
Auf der Autobahn am fahr’n
Gaspedal, Fuß wie Blei
Steht frontal die Polizei.

Blaues Schild, Rettungstat
Bremsmanöver, ziemlich hart,
Lenkrad rechts, 90 Grad
Auf die Autobahnabfahrt.

Neue Stadt, neues Glück,
Nette Kirche, schöner Blick
Hier in Sennestadt! (Was stört?
Dass das Kaff – so ein Fick!
Auch zu Bielefeld gehört.)
🙁