EKW024 Beobachtungen eines Kürbisses vor der Schlachtung

Beobachtungen eines Kürbisses vor der Schlachtung

Reden wir heute mal nicht über’s Töten
Denn Töten, das tun sie, die Menschen, sie flöten
Ein Liedchen, wenn sie uns die Leiber zerhacken
Wenn sie uns im Ofen zu Matsche verbacken

Denn Töten, das tun sie, wenn sie uns zu Brühe
Und Suppe, Mixed Pickles und Kürbispüree
Und zu Relish verpuppen, doch das ist nicht alles
Sie wuppen auch Folter im Falle des Falles:

Sie foltern die Kühe, die Schweine, die Hähne
Und sterben die doch, übergießt man mit Häme
Die Leiden der Viecher mit farbigen Bildern
Von glücklichen Tieren auf Supermarktschildern

Das wuppen Primaten wie Ficken im Stehn
Und zucken die Schultern: Schuld ist das System!
Das haben Herr Milton und Herr Lafontaine,
Karl Marx, Adam Smith schließlich auch so geseh’n.

Denn erst kommt der Bauch und erst dann die Moral
Hat Brecht schon gesagt. Und er meinte, dass Qual
Voll okay ist, solang man den Arm heben kann
Um zu zeigen: Nicht ich, sondern der da ist dran!

Der hat nämlich mehr, und solange der nicht
Etwas abgibt und anfängt mit seinem Verzicht
Verzichte ich gar nicht, das wär ja auch dumm
Und ungerecht, unsolidarisch(!) und drum

Hab ich Kürbis drei Tage von meinem Regal
Aus gesehen, wie alle zum Tiefkühlregal
Gepilgert sind, und zwischen Pizza und Torten
Das Billigfleisch schon mal für Weihnachten horten

Ich hab mich erkundigt. Wir Kürbisse haben
Ein längeres, besseres Leben im Garten
Als die armen Schweine und anderes Vieh
Nur wissen die’s nicht (man sagt’s ihnen nie)

Jetzt denkst du vielleicht, ich sei ehrlich empört
Weil das Leiden der and’ren mich irgendwie stört
Iwo! Bist du dumm? Vegetarier? Breit?
Ich langweil mich nur und vertreib mir die Zeit.

Ich lieg auf ’nem Brettchen, daneben das Messer
Der Typ, der mich schlachten wollt, hat was vergessen,
Sich umgedreht, ist dann wohl ausgerutscht, wumms!
Genickbruch. Und mir ist todlangweilig. Bumms.

Hi, Matthias hier, ich hab ’ne Frage: Was reitet dich gerade, dem Podcast einen mittelalten, weißen Grantlers zuzuhören, anstatt, sagen wir, die erste Folge der neuen Star-Trek-Discovery-Staffel zu schauen? Das ist eine vollkommen ernst gemeinte Frage. Die sozialen Medien verkünden, diese erste Folge lohne sich und es komme, bis auf zwei oder drei Statist_innen kein Weißer vor. Sophisticated Dudes lassen dieser Beobachtung ein „Spannend…“ folgen. Wobei Punkt, Punkt, Punkt ein Platzhalter für sinnleere Bedeutungsschwere ist, die mittelbegabte Studierende sozialwissenschaftlicher Fächer häufig mal verwenden, um nachdenklich / interessant zu wirken. Aber nochmal zurück zur Ausgangsfrage, denn das Nachdenken über diesen drei Punkte statt einer Bewertung verwendenden Menschentypus macht mich aggressiv und mein Aggressionspotential ist eh schon auf Kölner-Dom-Turmspitzen-Niveau. Was also treibt Dich? 1.Hypothese:
Du bist meine Mama. Hallo Mama. Oder Papa. Yo, was geht, Alter?! Oder…, tja. Keine Ahnung. Gedichte sind aus der Mode gekommen und mit was? Natürlich mit Recht. Denn es gibt etwas Besseres als Gedichte und das sind Songs. Die haben auch Text in Strophenform und dazu noch gute Musik, wenn’s ein guter Song ist. Der Song ist der Tod des Gedichtes, weil er zwei ähnliche Kunstformen, miteinander verbindet und damit die einzelnen Formen mehr oder weniger überflüssig macht. Ich bin heute 15 Kilometer gelaufen (eine vollkommen überflüssige Information aber ich musste meine Sportlichkeit irgendwie unterbringen, vielleicht auch um zu zeigen, dass ich mehr kann als nur reimen) ich bin also 15 Kilometer gelaufen und habe dazu mittelmäßigen zeitgenössischen deutschen Rap gehört. Da war viel Bullshit dabei, aber eben auch nicht nur und ich wusste sofort: Niemand entscheidet sich, sollte er/sie zwischen Deutsch-Rap und zeitgenössischer deutsche Lyrik wählen, für die Lyrik. Warum? Weil die Protagonist_innen des Deutschrap die besseren Geschichten erzählen können, weil man ihnen die Geschichten abnimmt, denn sie sind jung. Und weil die Geschichten mit Musikbegleitung erzählt werden. Gedichte sind halt nur die Lyrics bisher ungeschriebener Songs und das ist die reine Wahrheit.

Die Ballade vom tragischen Melker

Immer wenn ich melke, muss ich an Milch denken
Wie ich Milch getrunken hab, kann mich nicht ablenken
Warm, frisch aus der Kuh, so stand sie da
Und ich kam ihr ganz nah

Sitz ich an den Zitzen, muss ich an sie denken
Wie sie mir geschmeckt hat und ich kann mich nicht ablenken
Warm, frisch aus der Kuh, doch der Zusammenhang ist klar:
C mal 12, O-11 – und doppelt soviel H

Pitsch-patsch-nass in der Hose floh ich unter dem Ver-dacht
Der Diarrhö in die Praxis für Gast-ro-enterologie
Schlimmer war es noch nie!
Es war halb acht, doch ich war hellwach
Als der Arzt mich ansah und lachte
Ich dachte: ‚Spricht ihn an, Mann!‘
Dann sprach er mich an:
„Deine Hose ganz durchnässt, sie klebt an dir fest,
Deine Sachen: Vollgemacht, stinken wie die Pest
Doch dies Phänomen bläht die Därme von ganz Asien!“
Er fing an zu flüstern: „Dieser Scheiß kommt aus dem Schoß der Laktose!“
Ich wollt nur kurz bläh’n – doch das ging wieder in die Hose!
Macht mich lächerlich! Doch er lächelte: „Ehrlich wahr Mann!
Laktasemangel ist okay, ist nix Schlimmes dran!“

Immer wenn ich melke, muss ich an Milch denken
Wie ich Milch getrunken hab, kann mich nicht ablenken
Warm, frisch aus der Kuh, so stand sie da
Und ich kam ihr ganz nah

Sitz ich an den Zitzen, muss ich an sie denken
Wie sie mir geschmeckt hat und ich kann mich nicht ablenken
Warm, frisch aus der Kuh, doch der Zusammenhang ist klar:
C mal 12, O-11 – und doppelt soviel H

Das, was du eben gehört hast, war übrigens ein mieses Gedicht. Nein, nicht weil es den Rhythmus eines recht bekannten Hip-Hop-Songs der Band Freundeskreis aufnimmt, sondern weil dieses „C mal 12, O-11 – und doppelt soviel H“ einfach super-gewollt und für viele nicht ad hoc verständlich ist. Und das lernst du echt in jedem VHS-Rhetorik-Kurs: Die Pointe sollte besser mal sitzen. Du kannst in die Prämissen, also die Teile, mit denen du die Pointe aufbaust, ein paar Unbekannte einbauen, solange ihr Verständnis nicht Pflicht für’s Kapieren der Pointe ist, sondern nur ein cooles Gimmick. Dass nun C12 O11 H22, und ganz korrekt gesagt C12H22O11 die Summenformel für Laktose ist… Spannend, Punkt, Punkt, Punkt würde unser sozialwissenschaftlich beschlagener Freund wahrscheinlich sagen, weil er unsicher ist, ob nur er das alles zu gewollt und eher scheiße findet und ja: „Wenn du geredet hättest, du Schleimbeutel!“ Stell Dir vor, Gott, ja, Gott hätte die Welt erschaffen und alles und dann kommt der Teufel und Gott fragt ihn „Und, wie findest du’s?“ Und der Teufel nur so „Spannend Punkt Punkt Punkt“, dann wäre die Weltgeschichte mit dem Widerstreit zwischen Gut und Böse aber mal ganz schnell vorbei gewesen, weil Gott den Idioten einfach mal mit dem Vorschlaghammer 18 mal – mindestens – in den Boden geprügelt hätte. SPANNEND, oder?

Ach so. Die thematische Klammer für heute ist übrigens Ernährung. Spannend, oder? Tschüss.

Der Kutter und der Wolf

In Stunden der schwärzesten Stille hinein
Trifft dröhnend ein Tropfen verzinktes Metall
Fällt dröhnend ein Tropfen der Schale anheim
Ein hallendes Klopfen wie Peitschenknall
Wie stöhnende, brechende Beine
Ein Echo des Tages der Toten im Fall des Tropfens:
Das Brüllen der Schweine

Auf sorgsam gekärcherte Kacheln gestellt
Zerspringt in der Schale die Träne aus Fett
Als gleißender Lichtschein das Schlachthaus erhellt
Die Frühschicht hereinstürmt, Arme voll Brät
Und Schwarten von Speck um die Beine
Die Köpfe voll frischer Visionen von Mett
Durchzogen vom Brüllen der Schweine

Zwei Schalter vibrieren: Der Fleischwolf, er bellt,
Er schnappt nach der Schwarte, dem Brät und dem Speck
Und neben ihm rattert der Kutter, er quält die Zellen aus Fett
Und er häckselt sie weg. So wursten die zwei im Vereine
Besingen im Chor ihren einzigen Zweck
Das ewige Brüllen der Schweine

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