EKW031 Die Mühen des erhabenen Herbstes

holzfällergospel

…summsumm…
…fadammte axt…
…fadammter wald…
…fadammte bäume…
…mir is kalt…
…summsumm…

Ich hatte mir ja vorgenommen, nicht erst völlig übermüdet meine Schreibfeder zu zücken und den Koffer heute zu zivilisieren Zeiten abzuschließen. Es lässt sich gerade gut an, liebes halbes Dutzend eiserne Mitleidhörer_Innen und ich könnte mir vorstellen, dass Ihr, dass Du heut Zeuge einer legendären Episode wirst. Allein schon dieses Eingangs-Reimdingsi! Hach, und erst 21 Jahre alt. Das merkt man dieser Perle gar nicht an, nicht war? Ich hab das schon mal erwähnt: Mindestens drei Reimdingsis pro Folge, das ist hart. Denn ich bin meist froh, wenn ich eins pro Tag auf die Reihe kriege und einen Gutteil des weiteren Tages verbringe ich damit, in alten Kartons nach gut abgehangener Lyrik zu suchen, von der ich damals, als ich sie schrieb, noch dachte, sie sei gut. Ja. Nee! War sie nicht. Das ist ja das Dingen! Gedicht-Dingsis sind überhaupt nur 10 Minuten lang gut und bis dahin musst du sehen, dass du das Zeug irgendwie verkauft kriegst. Am nächsten Tag ist alles Geverste und Gedichtete nur Scheiße mit Soße. Der Herbst kann da eine willkommene Ausnahme sein. Nicht, weil die Reimdingsis besser wären, sondern weil die Stimmung so gedrückt ist von der ganzen Dunkelheit, und dann kommt die Sonne raus und schwuppdiwupp ist alles supi, da lass ich mich mitunter gerne von dem Zeug von gestern und vorgestern verzaubern.

Sonett über den typischen Herbstkram eben

Der weiße Nebel sammelt sich im Tal
Den hat ein müder Dichter ausgekippt
Der dachte: Herbst – das kann ich doch und er versiebt
Das Versmaß. Großes Maul und null Moral

Die dürren Blätter wiegen sich im Wind
Weil Blätter sich so gerne selber wiegen
So wie Babys. Kennt man ja, die schieben
Sich auch selbst im Wagen. Doll. So’n Kind

Am Himmel zieh’n die Kraniche nach Süden
Was soll’n die auch im Norden, ist ja kalt
Und für die DomRep müssen sie noch üben

Ein Bauer erntet Häme und Gewalt
Für’n bisschen Sodomie! Ker‘, sind die prüde!
Bullen kommen. Und die Kuh, die strahlt

Der Herbst mit seinen Farben und Facetten, ach ja. Aber wenn man’s runter bricht, ist’s dann doch meist das Wetter, das den Unterschied macht, nicht wahr? Ich will mir angewöhnen mehr „nicht wahr?“ zu sagen, hast du vielleicht schon gemerkt. Mehr „nicht wahr?“ und weniger „halt“, weil, is halt irgendwie cooler. Hanns Dieter Hüsch hat andauernd „nicht wahr?“ gesagt. Ich weiß nicht, kennst du noch Hanns Dieter Hüsch? Ja, Mama, ich weiß, dass Du Hanns Dieter Hüsch kennst. Papa kennt den ja auch, aber er sagt es nicht laut, während er Podcast hört, das ist der Unterschied. Jetzt stell dir mal vor, Du sitzt im Zug und alle schaun Dich leicht befremdet an. Das ist nicht wegen Deiner Übergangsjacke. Das ist wegen D-E-S L-A-U-T-E-N J-A S-A-G-E-N-S. Hanns Dieter Hüsch jedenfalls hat immer hinter seiner E-Orgel gegessen, vor sich hingebrabbelt und ganz viel „nicht wahr?“ gesagt und hat damit Säle gefüllt. Musst Du Dir mal vorstellen! Säle! Menschen haben sich zu hunderten in Säle gequetscht, schiedlich-friedlich Aerosole ausgetauscht und Opis hinter E-Orgeln beim Sabbeln zugehört. Ich sag Dir, wär das heutzutage noch ein valides Business, ich würd mir sofort ’ne E-Orgel kaufen und losziehen. Isses aber nicht. Aber ich war ja eigentlich beim Wetter. Das den Unterschied macht. Und ich komm drauf zurück, weil ich natürlich noch ein weiteres Reimdinsi zum Thema in einer alten Kiste gefunden habe. Allerdings in meinem Kopf. Ich sag Dir, heute war anstrengend. Mach ma nicht mehr so lange, morgen geht’s ja eh weiter, nech? Tschüss!

Wetter und Rettungsmittel

Sonne irgendwo versteckt und
Träge spielt ein Wind mit seiner Wolke
Rettungswagen rast – Nanu? Nana! –
Ganz bisschen schneller, als er sollte

Äste huschen – beiläufig vom Wind verschreckt –
Auf Autobahnabfahrten
Rettungswagen: What the…! Ast verdeckt Sicht.
Bumms. Auf Rettungsmittel warten

Auftritt Sonne. Schein! Schein! Schein!
Auf Unfallstelle
Schnell eilt Polizei. Tatüüü! Ta-Ramms!! Weil Bodenwelle

Jetzt zeigt auch der Wind für das Geieier sein Interesse
Weh! Weh! Weh! Seniler Baum macht Grätsche, wird zur Rettungsmittelpresse

Sonne braucht mal Pause: „Wolke! Tiefdruckzone. Jetzt.“
Und Wolke kuscht. Huscht rüber. Wind folgt mürrisch und gehetzt.

Aus Autos krabbeln Käfer, Uniform nass-triefend und mit mieser Laune
„Was war das denn?“ „Wetter…“ Murren und Geraune.