Macke
Mein Arzt sagt, ich hab eine Macke
Mein Rückenmark leitet grad kacke
Dem Denken fehlt Richtung,
Dem Dichten die Dichtung.
Es endet mit Stabreimattacke
Irgendwas ist ja immer, oder? Hi, Matthias hier. Mein Rückenmark leitet eigentlich ganz okay, gerade. Das Problem sind die Abzweigungen, da sitzen so Bubbel und irgendwas… tja. Ich sach’s mal so: Es kommt nicht alles an und vor allem landet nicht alles da, wo es hin soll. Und nicht in der richtigen Stärke. Ein paar Nerven zum Beispiel neigen zu maßlosem Alarmismus. Du kennst solche Menschen bestimmt auch: Wenn die atemlos und mit bebender Stimme anrufen, dann weißt du inzwischen: Okay, erst mal 50 Prozent Alarm und 20 Prozent Endzeitstimmung abziehen und dann schauen wir mal, was übrig bleibt. So isses bei einigen meiner Lieblingsnerven auch. Nur dass mein Schmerzzentrum im Kopp echt mies drin ist, diese 50 Prozent abzuziehen. Das kriegt es einfach nicht gebacken, die dumme Sau. Und es hilft ja nix, wenn’s eigentlich keinen Grund für ABC-Alarm gibt, wenn’s dann aber genauso weh tut wie eine Atombombe direkt von oben auf’n Schädel zu bekommen. Oder, wie im nachfolgenden Reim-Dingsi, wie wenn da was im Kiefer sitzt, das da definitiv nicht hingehört.
Der Zahnarzt und die Kettensäge
Im Ärztehaus am Entenpfuhl
Suhlt Susi sich im Zahnarztstuhl
Nicht grad vor Glück, so soll man meinen,
Hört man sie so wimmern, weinen
Denn bei routinierter Pflege
Ihrer Hecke ist die Säge
Abgerutscht und hat im Kiefer
Sich vertieft. Der wirkt jetzt schiefer.
„Kenn ich“, brummt der Zahnarzt träge
Und klopft freundlich auf die Säge
„Mir ist letztens erst im Garten
Werkzeug in die Hand geraten
Und ich konnte grad verhindern
(Mittels Pritt und Kabelbindern)
Dass mein Finger in die Binsen
Ging.“ Und er muss deutlich grinsen.
„Also Susi, zwei Optionen“,
Sagt der Arzt. „Wenn es es lohnen
Soll, dass Sie hier wimmernd liegen
Kann ich noch zwei Zähne ziehen
Die sind eh schon kariös
Und damit wär das auch gelöst
Und Zahnstein, tja. Wär auch mal dran
In zehn Minuten wär’s getan.
Die andere Option ist freilich
Für den Fall, dass sie es eilig
Haben, dass ich nur erwäge
Diese olle Kettensäge
Aus dem Kiefer rauszureißen
Und nach zwei, drei Wochen beißen
Sie schon wieder jede Möhre
In zwei Hälften. Isso. Schwöre.“
Susi guckt den guten Mann
Ungläubig und lange an.
Dann beginnt sie wild schreien
Und versucht sich zu befreien.
„Sehn‘ Sie, hab ich’s doch gedacht!“
Sagt der Arzt, „Wär doch gelacht
Wenn wir das nicht hinbekämen
Und es muss sich niemand grämen.
Bleibt nur noch die eine Frage
Die ich vorher an Sie habe:
Soll ich erst an den Zahnstein geh’n?
Kann dann die Säge besser sehn…“
Armes Hascherl, die Susi. Da hab ich’s ja eigentlich ganz gut. Die MS ist zwar real, aber der Schmerz, der ist nur in meinem Kopf. Da kann ich mir zwar nix von kaufen, aber ich seh‘ wenigstens gut aus beim Schreien, so ganz ohne Kettenblatt im Unterkiefer,
Beine
Der Mann auf der Bank verkündet, er habe ein schlimmes Bein. So eins, das man bei Wetterumschwüngen merkt. Oder im Stadion, wenn einer aus Versehen dranstößt. Der andere Mann, er sitzt rechts neben ihm, hat kein schlimmes Bein, aber ein appes Bein. Streng genommen sogar anderthalb, aber an dem einen hat er eine Prothese dran, die einen schlimmeren Anblick verhindert. Die beiden diskutieren eine zeitlang, ob ein schlimmes Bein schlimmer ist, als ein appes Bein, und wie viel schlimmer zwei appe Bein im Gegensatz zu zwei schlimmen Beinen sind. Der Mann mit dem schlimmen Bein versteigt sich zu der These, dass ein schlimmes Bein durchaus schlimmer sein kann als ein appes, immerhin schmerze ein appes Bein nicht so sehr. Der andere widerspricht nicht. Vielmehr fängt er mitten im Satz seines Nebenmannes an, darüber zu philosophieren, ab wann aus einem Bein eigentlich ein appes Bein wird. Und ob ein fast appes Bein gleichzeitig auch ein schlimmes Bein sein könne.
Schließlich tauschen sie sich ein wenig über ihre Erfahrungen mit Hausärzten und Reha-Kliniken aus und kommen darin überein, dass die meisten Ärzte und Reha-Kliniken Verbrecher sind, die ins Lager gehören. Manchmal, sagt der eine, wünsche er denen sein schlimmes Bein auf die rechte Seite und ein appes Bein auf die linke Seite, so dass sie überhaupt keine Lust mehr verspüren, das ganze Geld, das sie gescheffelt haben, in Villen und Yachten und Mercedesse zu investieren, sondern in bessere Reha-Kliniken. Da Reha-Kliniken zwar ebenfalls Verbrecher, andererseits aber keine Menschen sind, kann man ihnen weder schlimme noch appe Beine wünschen. Beide Männer bedauern diesen Umstand zutiefst. Der Mann mit dem schlimmem Bein fängt an, auf den mit den anderthalb appen Beinen zu schimpfen, weil der einen viel besseren Behindertenausweis habe und vor dem Supermarkt quer vor der Schiebetür parken könne, ohne dass man dagegen etwas tun kann. Er habe einmal selbst erlebt, wie schwer rheumatische Menschen über den Wagen eines Schwerbehinderten hätten steigen müssen, um in einen Supermarkt zu kommen, während der Schwerbehinderte in der Trampolinabteilung Weltrekorde gesprungen sei und kleine Kinder gequält habe. Der andere erzählt, dass er in der Reha einmal mit einem Belgier auf einem Zimmer geschlafen habe, der solche Schmerzen im Bein gehabt hätte, dass er sich letzten Endes aus dem Fenster gestürzt habe. Er habe dadurch zwar nicht sein Leben, aber immerhin sein schlimmes Bein verloren, so dass er, einbeinig zwar aber scherzfrei, nach einigen Wochen entlassen werden konnte. Er habe diesen Belgier nun vor einigen Jahren im Fernsehen wieder gesehen, als dieser einen Weltrekord bei den Paralympics aufgestellt habe. Es gebe überhaupt deutlich zuviel Behindertensport im Fernsehen und viel zu viele Pornos. Dafür so gut wie keine Tierfilme mehr, was er sehr bedauere. Er habe einmal eine Dokumentation über Afrika gesehen, in der ein dreibeiniger Elefant mit einem Nashorn kämpfte und gewann. Der andere nickt. Jaja, diese Elefanten seien stärker, als man gemeinhin glaube. Nicht diese niedlichen Schoßtiere, die einem das Fernsehen immer vorgaukelte, sondern brandgefährliche Biester, vor allem die dreibeinigen. Nun nicken beide. Der mit dem schlimmen Bein steht schließlich auf und verabschiedet sich. Er müsse noch dringend zum Arzt. Man wünscht sich Glück für die Zukunft und weniger Ärger mit dem „Geläuf“, wie es der mit der Prothese formuliert. Er selbst bleibe noch ein wenig sitzen und genieße den schönen Abend. Später wolle er dann einen Pornofilm ansehen, zur Beruhigung. Das sei ihm vom Arzt so verschrieben worden.
Zuerst veröffentlicht hier: https://siebenmeilenstiefel.antville.org/stories/1365344/
Ich geb’s zu: Dieser Text ist schon was älter. Aber ich fand‘ er passt ganz schön zum wehleidigen Unterton dieser Episode. Und zum Glück gibt’s ja auch Medikamente. Die machen vieles viel, viel besser und dieses Carbamezepin zum Beispiel, so ein Abfallprodukt aus der Epilepsie-Behandlung, das ist zum Beispiel richtig geiler Scheiß. Fünf Euro und ein bisschen Müdigkeit für anderthalb Monate kein Schmerzkino im Kopf. Danke, Tierversuche, kann ich da nur sagen. Vielen Dank! Und damit Tschüss und bis zum nächsten Mal!
Ein Lob der Nervenmedizin
Speziell dem Carbamazepin!
„Verdammtes Zeug. Respekt und Gruß…“
Mault traurig mein Trigeminus.