EKW040 Brumaire

Triggerwarnung: Diese Folge enthält teilweise explizite und implizite Verweise auf Themen wie Suizid oder Sterben. Wenn Dich diese Themen belasten oder Du selbst gerade damit zu tun hast, hör Dir diese Folge nicht an. Es ist nur ein dummer Podcast. Hilfe zum Thema ‚Suizid‘ findest Du zum Beispiel bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Das lässt sich leicht googeln und in den Shownotes zu dieser Folge hab ich auch den direkten Link angegeben:

https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/adressen/.

Außerdem hilft Dir in allen Fällen auch die bundesweite Telefonseelsorge. Sie vermittelt Dir zudem weitere Hilfsangebote und Adressen. Sie ist telefonisch 24h täglich zu erreichen unter 0800-1110111.

Hexensabbat

Hexenhaus und schwarzer Kater
Rattenkönig als Berater
Eins, zwei, drei im Abfluss drin
Remergil und Doxepin
Abera Kababera
Schwups ist Mami nicht mehr da
Hexenmus und Schlangenkuss
Du bist die, die suchen muss!
Schau im Schrank und unterm Bett
Sind die Lippen violett?
Herzensstille, Brägenbrei
Eins, zwei, drei und du bist frei

Hi, Matthias hier. Darf man schon wieder Zynismus? Wahrscheinlich nicht, oder? Heute, am Tag der Aufnahme ist der 9. November, und wenn Dir wirklich gar nichts zu diesem Datum einfällt, geht mal zum jüdischen Friedhof in deiner Stadt und fragt Dich, warum da irgendwie gar keiner mehr gestorben ist seit den 1940er-Jahren… Und, noch eine historische Referenz: George Herbert Walker Bush (Senior) hat am 9. November 1989 quasi eigenhändig die Berliner Mauer aufgerammt und den Kalten Krieg gewonnen. Hier noch zwei Neunte-November-Fun-Facts, die nicht so häufig genannt werden:

1936 haben die damals regierenden Freiheitskämpfer und Maskenverweigerer am 9. November das Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy vor dem Leipziger Gewandhaus entfernen lassen, weil: Was hat dieser Mendelssohn schon je für uns getan? Ja, okay. Bach wiederentdeckt und das erste mal seit knapp 70 Jahren wieder die Matthäuspassion aufgeführt. Aber sonst? Fällt Dir irgendein Werk ein? Nein? Genau! Mir aber. Dutzende. Mindestens. Siehste: Man kann ihn also doch schon wieder, lesen Zynismus.

Zweiter eher unbekannter 9. November: Napoleon hat am 9.11.1799 die Französische Revolution beendet und ist Gottkaiser geworden oder so ähnlich. Nur hieß der 9. November damals gar nicht so, weil sich die Franzosen einen neuen Kalender ausgedacht hatten, den so genannten Republikanischen Kalender. Und darum war der 9. November offiziell der 18. Brumaire VIII. Und das muss man diesem republikanischen Revolutionskalender lassen. Er hatte die viel schöneren Monatsnamen! Der Herbst zum Beispiel: Vendémiaire – lateinisch vindemia „Weinlese“ vom 22. September bis 21. Oktober
Brumaire – französisch brume „Nebel“ vom 22. Oktober bis 20. November
Frimaire – französisch frimas „Raureif“ vom 21. November bis 20. Dezember

Die drei Monate des Herbstes: Weinlese, Nebel, Raureif. Ja Herrschaftszeiten, und wir Idioten haben September, Oktober, November zurückeingeführt? Ich fordere mehr Einfluss der Poetik auf die Politik: Ein Reim-Dingsi-Ministerium für knorke Sprache!

Aber das nur am Rande. Ich wollte mich ja um die morbiden Abgründe kümmern. Das folgende Reim-Dingsi hätte in den Sommer gehört, aber so isses nun mal. Was nicht passt, wird passend gemacht

Gekugeltes Gras

Der Geschmack dieses Sommers sind Erbsen gewesen
Sind Erbsen die roh aus der Schote gepult und gegessen
Gepult und gegessen so schmecken wie Gras
Wie Gras. Gekugeltes zuckriges Gras
Dass bald schon die erste ins Haus läuft
Die Seitentür Deele die Milchküche stürmt
Zur glänzenden Spüle um Wasser und Kekse zu holen
Und hastig zu schlingen zu trinken das Wasser zu trinken
Und weitere Schoten zu brechen zu essen zu schmecken
Wie Gras

Doch dieses Mal hat sie Rhabarber gebracht
Die Stangen geschält mit Zucker und Sonne
Und Plundermilch uns in die Erbsen gestellt
Die Hände wie brüchiges Schmirgelpapier
Den Enkeln die Wangen gestreichelt
Mit Augen voll Schwarz in den Himmel, die Erbsen,
Und irgendwo fern läuft das Wasser gekugeltes Gras
Gekugeltes Gras

Wir blinzelten träge zur Sonne die Bäuche gefüllt
Sie hatte Rhabarber mit Zucker gebracht.

Wir saßen gebückt in den Erbsen und sahen den Wagen
Die Männer und liefen
Die Seitentür Deele die Milchküche stürmten
Zur Spüle das Wasser lief überall Farbe
Am Boden die Hände aus Schmirgelpapier
Die Augen voll schwarz lief überall farbiges Wasser
Gekugeltes Gras und niemals und niemals Rhabarber und Zucker
Und Plundermilch. Niemals

Sind Erbsen gewesen
Ist Wasser gewesen
Die glänzende Spüle
Gekugeltes Gras

Erbsen, frisch aus der Schote, sind schon geil. Überhaupt: Warum sollte man jemals aufhören wollen, Erbsen zu futtern? Und Erdbeeren? Schokolade? Frischen Kohlrabi? Pellkartoffeln? Ratatouille? Warum sollte man? Alter. Es gibt tausend Gründe. Auch außer dem bösen D.-Wort, das in der deutschen Sprache mit epression endet. Oder nicht endet. Manchmal gar nicht mehr aufhört. Tagelang. Wochenlang. Monatelang. Und wenn Du Deinen Camus gelesen hast, Der Mythos des Sisyphos, Kapitel 1, 1. Absatz, dann weiß Du, dass sich diese Frage auch noch ganz grundsätzlich stellt. Genauer: Es ist ja nicht mal eine Frage, sondern die Antwort auf alles, die eine, die einzige Entscheidung. Und die treffen wir jeden Tag aufs Neue. Der Griff zum Wecker, das Anschalten der Kaffeemaschine, das Öffnen der Tageszeitung. Wir treffen sie aus Routine, aus Einfältigkeit, aus Lust am Leben und vor allem, das ist meine Hypothese, aus Angst vor der Alternative. Der großen Dunkelheit. Doch die, so komme ich zurück zum Anfang meines Gedankens, kommt manchmal ganz von selbst. Ganz unschuldig und unverschuldet, überhaupt, vergiss die Schuld, diesen Kampfbegriff, der so viel Ordnung und Gerechtigkeit bringen sollte und so viel Dünnpfiff in die Welt gebracht hat. Was soll das denn sein? Die Schuld. Es gibt nur Dunkelheit, und die geht manchmal, häufig, hoffentlich vorüber. Manchmal aber nicht.

episoden meiner angst

um drei
wenn zwischen der
verlorenen und drohenden
der alten und der neuen nacht
die traumgewächse schwarze flechten sind

die silhouetten vor dem fensterkreuz
das bild das meiner angst
entspringt umklammern und
sich biegen vor verzweiflung
hinter grauem glas
im wind

die klamme decke auf
mir ruht
so schwer
und nass
wie mein
ertrunkenes kind

Der französische Revolutionskalender ist keineswegs so revolutionär, dass er die astronomischen Gegebenheiten ändert. Auf den Herbst folgt Winter.
„Nivôse“, der „Schnee“, „Pluviôse“, der „Regen“, „Ventôse“, der „Wind“. Doch hört es da nicht auf, natürlich nicht. Es folgen „Keim“ und „Blume“, „Wiese“, erste „Ernte“, „Wärme“, „Frucht“, in einem fort, bis Napoleon die Lust am revolutionären Schnickschnack verliert und 1806 den Januar sein Januarding machen lässt, scheiss doch auf schöne Namen. Gute Nachricht nebenbei: Es hört nicht auf. Hört niemals auf. Egal, wie wir es nennen. Tschüss, bis morgen!

Fenster auf! Ich tausch das Rauschen
Des Computers gegen Weidenwipfel, die im Wind sich bauschen
Blütentupfen, Sonnenwärme
Kinderlärmen, Pollenschnupfen

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