Nebelhorn
Seit Hunderten von Jahren schon
Schalt durch den Fjord ein Nebelhorn
Es tutet laut vernehmlich
Sehr voll und laut – und dämlich
Denn immer wenn der Nebel kommt
Erklingt aus Hornestrichter prompt
Ein „Kinderchen, macht hinne!
Ihr steckt im Nebel drinne!“
Das klingt vielleicht noch seriös
Doch ist der Look recht prätentiös
Das Horn zieht eine Fratze
Und winkt mit lila Strapse
Darum ist dieser Art Alarm
Bisher viel Häme widerfahr’n
Und tausend Seelen krachten
Ins Riff, noch als sie lachen
Hi, Matthias hier. Hast Du ein bisschen Zeit mitgebracht? Schön. Ich sag Dir’s ganz ehrlich. Ich hab so mittel viel Zeit heute. So ein Alltag mit Dingen drin und so, der kann manchmal ganz schön nerven. Heute hab ich zum Beispiel viel in Wartezimmern von Ärztinnen und Ärzten gesessen, bei denen ich seit Monaten einen Termin hatte. Und hab trotzdem stundenlang gewartet. Ich finde das toll, das sowas möglich ist. In dieser unserer schnelllebigen Zeit. Da wird man doch gleich mal extragründlich entschleunigt. Jedenfalls fühl ich mich heut Abend gleich so richtig urlaubsreif, so entschleunigt bin ich von der ganzen Warterei und da hab ich halt viel an Schiffe gedacht.
Ulla
Ulla, 50, Flip-Flop-Tusse
Reist primär per Kreuzfahrtschiff.
Vormittags von Bord, in Busse,
Wo man sich zum Knipsen trifft.
Pyramiden, Fjord, Indianer:
Handy-Cam heraus und „Knips“.
Stündchen, sagt der Tourenplaner,
Dann zurück, Prosecco, Schwips.
Neulich war ’ne Kathedrale
(Irgendwas mit Dings… Barock?)
Einfach zu! „Hans-Gerd! Wir zahlen
Nicht, man hat uns abgezockt!“
All-Inclusive ist ihr Mantra
Ulla kennt ihr Recht genau.
Klar, es ginge auch charmanter,
Meist ist sie jedoch zu blau.
Schließlich Mumbai. Ja, da hat’se
Einen angemacht, der Glatze
Hatte. War halt Priester. Ulla
Aber musste dringend strullern:
„Samma, Ali, wenn man pissen
Muss“, lallt‘ sie, „Wo geht das, Mann?!“
„Easy“, ließ der Mann sie wissen,
Schniedel raus und pisst‘ sie an.
Das hat Ulla nicht verwunden.
Rückkehr, zack, Kabine zu.
Hat geduscht und viele Stunden
Lang geheult. Die dumme Kuh.
Die dumme Ulla aus dem Reimdingsie von eben, die hat ja im Prinzip noch Glück gehabt. So ein bisschen angepillert zu werden ist schließlich, das wissen alle, die sich „Titanic“ oder „Die Höllenfahrt der Poseidon“ angeschaut haben, längst nicht das Schlimmste, was auf Kreuzfahrten so passieren kann. Man kann zum Beispiel auch seine Nachbarn treffen und feststellen, dass sie direkt nebenan in der Kabine wohnen. Womöglich darfst Du ihnen sogar einmal wöchentlich beim Urlaubssex zuhören. Ich glaube, wenn man sowas mal durchmachen musste, kommt so ein echter Sturm inklusive Havarie und Untergang sogar ganz gelegen. Denn dann hast Du eh mehr gehört, als so ein Durchschnitts-Zentrales-Nerven-System zu verarbeiten jemals in der Lage wäre. Tschüß und bis morgen!
Wellenmusik
An Bord der Fähre steht ein Mann
Der leidlich musizieren kann
Er spielt Oasis‘ „Wonderwall“
(Wenn’s das denn wirklich seien soll…)
Und konkurriert mit See und Wind
Darum, dass er Beachtung find‘.
Ein Kampf, den jeder brave Mann
Im Grunde stets verliert, bis dann
Bei ungefähr Windstärke acht
Die Mutti bleich an Deck gebracht
Wird und die Fische stetig füttert.
„Schau, die Bockwurst! Stark zerknittert
Und zerkaut! Mit Brötchen und
Mit Zwiebeln.“ Würg! Schwups, auf den Grund.
Der Wind verliert an Sympathie,
Die Mutti stöhnt und flucht wie nie,
Und plötzlich kriegt der Musikmann
Beachtung. Weil er Musik kann
Und jene Ablenkung verschafft,
Die Mutti braucht. Statt Wellenkraft.
„Hör zu, der spielt grad unser Lied!“
Ruft Vatti, als er Mutti sieht,
Wie sie erst weiß wird und dann grün
(Gleich wird sie ihre Wurst versprüh’n…)
„Komm lass uns schwofen Schatzilein!“
Doch Schatzilein muss erst mal spei’n.
Der Musikant indessen hat
Beendet, was begonnen grad
Als „Life is life!“, gar nicht mal gut,
Und göbelt kurz in seinen Hut.
Der Wind nimmt zu, mit ihm die Wellen,
Die an Bord die Blässe schwellen
Lassen bis mit einem Mal
Die Schiffsbesatzung kotzt. Im Strahl.
Die Szene, die nun folgt, ist wild
Und suchte man nach einem Bild
Wär’s eher Pollock als Renoir
Mehr Otto Dix als ein Degas.
Wo waren wir? Der Musikant!
Ja richtig! Hut ab, Guter Mann!
Nachdem der erstere entleert
(Also der Hut), wird frisch geehrt
Das Andenken des King of Soul:
James Brown wird angestimmt, und wohl
Im selben Augenblick das Schiff
Gesteuert auf ein großes Riff.
„Ein Riff?“ denkt ihr? „Im Ernst?“ und wundert
Euch. „Im einundzwanzigsten Jahrhundert?“
Dazu muss man wissen, dass
Der Kapitän, das alte Aas,
Säuft, wie ein Loch, bei Tag und Nacht
Und selten auf der Brücke wacht.
Sein Selbstverständnis ist, ganz schnell
Umrissen, unprofessionell.
Und als das Schiff vor Skagen sinkt
Ist er der erste, der den Drink
Abstellt und sich noch in der Nacht
Per Rettungsboot vom Acker macht.
Für Mutti und den Musikus,
Für Vatti und den Rest ist: Schluss.
Doch kurz vorm Ende stimmt der Mann
Mit der Gitarre dies hier an:
„Es war mir ein Vergnügen Euch
Zu unterhalten. Und mich freut
Ein wenig, dass der letzte Song
In Eurem Leben der hier…“ KLONK!
Dann knallt er gegen eine Wand.
Das ist, wie er sein Ende fand.
Was besser ist als kaltes Wasser,
Das voll Kotze ist. Und nasser.