auf dem fluss
es war gut auf dem fluss
die augen zum himmel gerichtet
die wolken zu sehen
und die ufer
ohne mein zutun in der ferne
erloschen zu wissen
nicht zu steuern in der strömung
und nicht ahnen
was zu steuern ist
katarakt! zu rufen ohne furcht
vor einem fall der schwerelos ist
bis zum tod
bis der fluss im flachen land versandet
denn das hatten wir nicht
durchgenommen
Hi, Matthias hier. Immer wenn rumgerantet wird, die Schule würde nicht gründlich genug auf das Leben vorbereiten, bin ich der erste und lauteste Widerständler. Weil ich mich immer noch an die schlimmsten zwei Wochen Deutschunterricht meines Lebens erinnere, in denen wir lernten, Bewerbungen zu schreiben. Wobei „Lernen“ ein großes Wort in diesem Kontext ist. Eigentlich bekamen wir eine hinreichend schick gestaltete Informationsmappe der Kreissparkasse Herford ausgeteilt, in der wir alles Wichtige zum Thema „Bewerbung schreiben“ nachlesen konnten. Inklusive einer CD-ROM mit einer Word-6.0-Vorlage für einen Tabellarischen Lebenslauf. Ich sah der Deutschlehrerin ihren Ekel und ihre Scham an und schaute um mich herum in viele befremdete Gesichter, denn wir waren uns alle einig, dass das hier eindeutig furchtbarer als Hermann Hesse war. Schon allein, dass sich die arme Deutschlehrerin, immerhin eine studierte
Germanistin, nicht in der Lage sah, Bewerbungsmappeninhalte und deren Stil in gewohnter Weise mit uns pädagogisch zu erarbeiten, sondern auf Unterrichtsmaterialien des Klassenfeindes zurückzugreifen, zeigte schon, wie fremd ihr die ganze Geschichte war. Ich gestehe, ich zählte mich lange und sehr bewusst zum Team Dünkelhafte-Hesse-Befürworter, und zwar immer dann, wenn irgendwelche Stümper_innen versuchten, lebensweltnahe Inhalte in den Deutschunterricht einzubringen. Sollten sie sich doch gehackt legen, diese Praxisvorbereiter und Totoptimiererinnen, diese pisagläubigen Arschlochpädagogen, die mir meinen Bildungsbürgersöhnchensandkasten wegnehmen und mich zu einem Praktikum bei der Steuerberaterin um die Ecke überreden wollten.
Tja. Nun. Das Problem ist: Selbst wenn das Leben nicht in einer steilen Steuerberaterkarriere kulminiert, die Wahrscheinlichkeit für einen Lebenswerg á la „Narziß und/oder Goldmund“ liegt trotzdem bei Null. Irgendwann solltest du besser mal mit dem Reflektieren aufhören, sonst hängst du ruckizucki am nächsten Baum. Irgendwie wurde total vergessen, uns auf die Leere vorzubreiten. Und nein, Mama, bevor ich wieder besorgte Anrufe bekomme, sooo schlimm ist es jetzt nicht und ich besitze außerdem auch gar kein passendes Seil zum daran Aufhängen. Wobei: Kleiner Lifehack, haha: Kabeltrommeln. Transportabel, reißfest, wenig verdächtig. Aber um noch mal auf die Leere zurückzukommen: Da stehste dann da im seichten Wasser deines Lebensflusses und das Wetter ist eher so mittel, nicht doll, nicht schlecht und merkst dann: Da hilft weder Faust noch die Bewerbungsmappe der Kreissparkasse Herford, die inzwischen nur noch Sparkasse heißt. Denn das gehört auch zur Wahrheit: Der Mephisto, der kommt auch nicht so ganz von alleine um die Ecke gesprungen und bietet dir den Gamble deines Lebens an. Probiers mal aus, schmeiß mal alles hin, misch dir einen Becher Gift zusammen und fang an rumzuschreien. Wenn du Glück hast, kriegst du eine Gefährderansprache durch die Polizei. Wenn du Pech hast, klingelt deine alte Deutschlehrerin und will dir einen Wachturm verkaufen.
Jehova Zeugen
Es standen zwei am Hauptbahnhof
Die waren stur, verhärmt und doof
Und die Version vom Paradies
Die’s Heft in ihren Händen pries
Sah aus wie damals ‚Falcon Crest‘
Nur halt mit Morphium-Attest
Da dacht ich mir: Das kannst du auch
Nur besser und mit einem Hauch
Von Sechs-Appiel in der Verpackung
Ohne alle Sexverknappung
Denn die Leute wollen Porno
Nicht Sudoku und Adorno!
Also stellt ich mich dabei
Und raunte: „So, ist gut ihr zwei.
Ihr habt’s bewiesen, also geht,
Wie’s hinten in der Bibel steht,
Mit aller Macht des Gottesmannes,
Offenbart Euren Johannes
Und die Englein werden singen
Und die Heiden werden ringen
Mit der Fassung und dem Neid
Weil Ihr nun mal die Geilsten seid.
Und dann bespringt euch oft und weiter
Wie die Avokado-Reiter
In der Bibel. Oder so.
Steht da nicht ‚Masel tov dem Po‘?“
So ungefähr war’n meine Worte
Doch die beiden war’n die Sorte
Abgebrühte Superchristen
Lächeln, Nicken, Daseinfristen.
Also stellt ich mich daneben
Hose auf, mein Christkind heben
Und die Menge hört zu quatschen
Auf und fängt dann an zu klatschen
„Ja, ich weiß“ sag ich „Applaus
Holt mich nicht aus der Hölle raus.
Doch kommt, dank meinem Schwanz-Protest
Auch keiner rein nach Falcon Crest.
Das, meine Lieben, ist also dieses Niveau, von dem man immer wieder hört. Nichtsdestoweniger: Wieder ist ein Stündchen auf dem Floß vorübergezogen ohne einen einzigen Gedanken an Kabeltrommeln und tragende Äste. Gehabt Euch wohl, treue Koffer und Kofferienchen. Tschüß!
Vierzeiler
Es saß ein lieber Gott im Himmel
Zwirbelte an seinem Bart
Schaute runter ins Gewimmel
Schwupps, wurd ihm der Rest erspart.