EKW056 Kassandra, My Ass

Dreikometenjahr

Es kam der erste
Klein und flink
Und als er kam, war allen klar
Dass dies das Ende war

Es kam der zweite
Langer Schweif
Und als er kam, war Panik da
Wo sonst der Primark war

Es kam der dritte
Gleißend hell
Fiel in die Sansibar
Was ziemlich knorke war

Dreikometenjahr,das ist schon ein furchtbar guter Name für ein Jahr. Wenn 2021 mal irgendwann zu Ende ist und wir reden davon als Dreikometenjahr, dann hat irgendwo in diesem Land irgendeine PR-Abteilung viel richtig gemacht. Die Frage ist nur welche? „Qui bono?“ wie der oder die Lateiner_in NICHT sagt, denn ich mag dem Dativ zwar nicht sonderlich, in diesem Fall aber rufe ich Euch zu: „Dativ, wem Dativ gebührt!“ Es heißt natürlich „Cui bono?“, nicht wahr? Qui, que, quod, cuius, cui, quem, quam, quod, quo, qua, quo. Aber ich schweife ab, kein Wunder, nicht wahr, wo’s doch um Kometenjahre geht, und zwar nicht irgendwelche, sondern um Dreikometenjahre. 1618 war so ein Dreikometenjahr, was sich eindrucksvoller anhört, als es wirklich ist, denn so richtig eindrucksvoll und sichtbar war davon nur einer, der aber so richtig. Die Wissenschaft hat für so etwas den Namen „Großer Komet“ geprägt, und das ist ja mal ein wirklich superkreativer Name.
„Hey Pavlov, alter Drecksack, diese Megakometen, die Riesenklötze, diese Superoschis, wie sollen wir die denn mal nennen?“
„Große Kometen.“
„Hammername.“
Da sollte man fast schon dankbar über wissenschaftliche Namen wie SarsCov2 sein, denn dürften Astronomen unsere Viren benennen, dann hieße unsere derzeitige Plage womöglich „Neues Virus“. Oder „Anderes Virus“. „Corona“ dagegen hätten Astronomen es mutmaßlich nicht benannt wegen Verwechslungsgefahr mit, genau, dem gleichnamigen Bier der Inbev Brauerei. Aber wir wollten ja über 1618 reden, das Dreikometenjahr, das eigentlich ein Einkometenjahr war und damit ein lächerlich kometensichtarmes Jahr im Gegensatz zu heute, wo wir auf der Erde 20 bis 30 Kometen pro Jahr mit bloßem Auge sehen können. Zugegeben: so ein Superkomet wie das Ding 1618 sind die eigentlich nie, aber der 1618er musste auch viel mehr leisten, nämlich einen 30-jährigen Krieg vorhersagen. Das haben nämlich damals schon alle gesagt. Ja okay, die FDP erst 1648 nach dem westfälischen Frieden (da haben die nämlich gesagt: „Wir haben’s schon immer gesagt, dass der 1618er-Komet eine 30-jährige Hochkonjunkturphase für Hersteller von Handmetzelwaffen bedeutet!“). Aber die anderen wussten tatsächlich direkt: „Hui, das wird schlimm!“ Kepler zum Beispiel. Und alle anderen auch. Weil Kometen, das waren Unheilszeichen, man wusste nicht mal, was das eigentlich ist und wo die herkommen. Viele dachten, Kometen seien so eine Art Erdfürze, die sich in den Äther entladen. Wie auch immer, Kometen waren und sind anders als das Normale und sowas reicht hierzulande ja häufig, um es wegzusperren, zu verbrennen oder eben mit bösen Mächten in Verbindung zu bringen. Und weil Astronomie und Astrologie damals noch zwei Seiten derselben Wissenschaft waren, mussten sich die Keplers und Brahes ziemlich häufig damit beschäftigen, irgendwelchen superreichen ihr Horoskop zu schreiben und Kometensichtungen zu deuten. Das lief dann häufig nach dem Motto „Die Katastrophe als Chance sehen, Herr Wallenstein! Das dürfte einer Waage wie Ihnen doch recht leicht fallen!“. Ja genau, einer der großen Metzelbrüder des 30-jährigen Krieges war Waage. LOL. Aber wie komme ich überhaupt auf Kometen? Das hat mehrere Gründe: Erstens hab ich nix zu tun und mit irgendwas muss ich mich ja beschäftigen. Zweitens ist heute Montag und ich muss meinen Podcast vollsabbeln und da ich alle Gedichte, die ich noch auf Halde hatte, inzwischen verpodcastet habe, muss ich einfach über alles reden, womit ich mich am Tag so beschäftigt habe. Und drittens schreibe ich ein neues Buch. Das erste wird jetzt ja bei Amazon verramscht (btw, falls du’s noch nicht getan hast: Kaufst du „Im Moor“ von Matthias Kleimann, ist seeeeehr günstig und seeeehr gut und braucht seeeeehr viele gute Rezensionen bei Amazon, weil die Säcke die ganzen gefälschten Rezensionen meiner Familie nicht akzeptieren. Ich schreibe jedenfalls ein neues Buch, das hat mit Kometen zu tun. Unter anderem. Auch mit Sex und Gewalt und Frauen und Gott, aber eins nach dem anderen. Und darum erzähle ich eben von 1618, dem Jahr des großen Kometen und des Prager Fenstersturzes, den damals übrigens alle, die davon wussten, für eine böhmische Feld-, Wald- und Wiesenrevolte gehalten haben. Hätte man damals ’ne Umfrage gemacht, was schlimmer ist, Fenstersturz oder Koment, ich hätte nicht auf die böhmischen Stände gesetzt. Die Leude warn dumm, damals. So wie heute auch, nur dass die’s damals nicht besser wissen konnten und wir’s heute nicht besser wissen wollen.

Kassandra, My Ass

Es war mal eine Meckerliese
In Westanatolien
Die machte alles mies, die fiese
Liese, wie’s den ander’n schien

Sie kam aus königlichem Hause
Papa war der CEO
Von Troja. Und ihr Bruder klaute
Helena aus Sparta. Doe!

Was denkst Du, tat der Meckervogel
Als ihr das zu Ohren kam?
Richtig. Meckern, und zwar ohne
Punkt und Komma, lieber Schwan.

Lieschen meckerte beim Essen,
Beim Verdauen, auf dem Klo,
Lieschen hielt nicht mal die Fresse
Wenn sie schlief. Echt. Nirgendwo.

Lieschen sah in allem Zeichen
Dass die Welt bald untergeht
Es war wirklich zum Hirnerweichen
Wie’s in Homers Ilias steht.

Endlich, viele Jahre später,
Hatte Lieschen eimal recht,
Pferd rein, Saufgelage, blöder
Gings nicht: „Whaaaat, jetzt echt?“

Kurz darauf lag Lieschens Leiche
Stinkend in Mykene rum
Lerne, Lieschen: Meckern reicht nicht!
Änder was! Oder bleib stumm.

Ich muss aus gegebenem Anlass noch mal kurz ein bis sieben Lanzen für die arme Kassandra brechen. Die hat in der Ilias wirklich übel auf die Fresse bekommen von den Griechenarschgesichtern und das war ü-ber-haupt nicht okay. Und klar, war auch ’ne üble Welt damals, alles voller Machos und Sausäcke. Aber die Amazonen, die leider dösig genug waren, sich in diesen dusseligen Krieg reinziehen zu lassen, die haben immerhin den Griechen ein paar mal den Popo versohlt. Ich weiß, hat letztlich nicht geholfen. Ich war trotzdem immer klar „Team Amazon“ und dass im DC Extended Universe rund zweitausend Jahre später Amazonenprinzessin Wonderwoman den Nazis auf die Schnauze haut und nicht Meckerlieschen Kassandra, hat bestimmt auch Gründe. Also, wir merken uns: Dreikometenjahre sind astronomisch bestimmt cool, ansonsten aber vollständig uninteressant und wenn dann mal Kometen und Corona zusammenfallen, dann hört auf zu raunen und zu meckern, sondern haut den Nazis auf die Schnauze. Kurve gerade noch gekriegt,puh. Tschüss.

Sechszeiler des Tages

Wir haben ein kleines Kometenproblem
Weil die Teile sich einfach nicht ordentlich drehn
Sie flutschen voll komisch im All hin und her
Und komm‘ sie mal näher, steppt hier gleich der Bär
Drum lass uns mal alle Atomwaffen bau’n
Und uns umhau’n, sonst tun’s die Kometen versau’n.