EKW074 Chocos, der Knusperbär

TL;DR Da war dieser Junge in der Kelloggs-Frosties-Werbung und der sollte Eishockeysurfen oder was man eben so macht, wenn man als Süßzerialienfressender Gesamtschülerblondie auf der Rütli-Schule nachmittags das Heroin weggeraucht hat, aber die anderen sehen voll gut aus und waren beim Friseur. Was tust du?

am baum vor meinem fenster
an der efeuranke
zittern auf und ab
zwei blätter
tot im wind

wie vögel
auf und ab
die schnäbel
je dem andern
zugewandt ins spiel
vertieft: der paarung
hin und her einander zu
gewandt ein auf und ab
im hin und her und dann
nicht mehr nur auf und ab
und her und hin
ein totes
blätterpaar
im wind

Hi, Matthias hier. Holt Eure Frohlockenstäbe heraus, ihr lieben Koffer, ich las bei einem Open Mic und wurde nicht geschlachtet! Was wegen des digitalen Charakters der Veranstaltung zu erwarten war, aber erzähl das mal jemand meinem Adrenalinspiegel. Excitation Transfer ist das Stichwort, der zu Flucht und Tod und überhaupt allem bereite Körper trifft auf eine quietschfidele Psyche, die nach absolvierter Hochspannung schon wieder in Unterhose mit Kippe und Bierdose durch die Küche schlurft, während er, der Rest, noch Tiger töten möchte.

Oh Tony! Das schaffen wir nie! Kein Problem, wir halten nur kurz eine Frosties-Packung in die Kamera und gehen wieder schlafen… Ich hab Dich gerade verloren, oder? Werbereferenzen aus den späten 1980er-Jahren sind, das muss irgendwann mal ein mein mittelleistungsfähiges Gehirn hineingeprügelt werden, absolut kein No-Brainer. Also: Da war dieser Junge in der Kelloggs-Frosties-Werbung und der sollte Eishockeysurfen oder was man eben so macht, wenn man als Süßzerialienfressender Gesamtschülerblondie auf der Rütli-Schule nachmittags das Heroin weggeraucht hat, aber die anderen sehen voll gut aus und waren beim Friseur. Was tust du? Richtig, bei einem Werbecasting mitmachen. Mit einem strunzdummen Zeichentricktiger, der dauernd nölt, das Chocos, der Knusperbär den viel besseren Song hat und das fiese ist, Tony hat recht, weil: Keiner knuspert mehr, als Chocos, der Knusperbär. Yeah. Welch unschuldige Zeiten, in denen man noch Yeah auf Bär reimen konnte! Das Problem war, dass Chocos Gesamtanmutung doch stark an Disneys Balu aus dem Dschungelbuch angelehnt war. Und weil der wiederum mit Käpt’n Balu und seiner tollkühnen Crew gerade ein Megarivival im Disney-Club feierte, wurde da im Hintergrund, darauf wette ich einen Kubikmeter Honynut-Loops, ein fetter Urheberrechtsprozess geführt. Oder? Klingt das logisch? Ich hab’s gerade gegoogelt und was ich fand war folgende Schlagzeile: „KELLOGG’S TEAMS UP WITH DISNEY TO BRING MAGIC TO BREAKFAST TIME WITH FROZEN“. AKA: Die Schlappschwänze haben gekniffen und machen gemeinsame Sache.

Aber wir wollen ja eigentlich über meinen erfolgreichen Tag reden. Oder? Höre ich Widerspruch? (Nein.) Gut. Ich bin jedenfalls megastolz auf mich und habe jetzt nur ein wenig Sorgen, dass die fünf bis sieben Clubhause-People, die da zugehört Habens denken, ich wär so ein lustiger Reimonkel und gar nicht der zart-zerbrechliche Hitler-Witze-Reißer, den meine Kofferitas alle so heiß und innig lieben. Was also tun? Nuuuuuun. Dafür schließen wir alle einmal kurz die Augen, denken an alte CDU-Wahlkampfvideos auf Youtube und freuen uns jetzt erst mal auf seriöse Reimdingsie-Kunst

episoden meiner angst (2)

strahlend deine augen
schimmernd liegt
conchiolin
in deiner hand
es mir zu schenken

lichtes tor
der eintritt in die räume
mit perlmutt belegten wänden
milde dämmerung und
tiefe schatten sinistral
gewundener spirale

weiter führt
die dunkelheit
aragonith
gespannte streben
enger einen kreis um
meinen gang

der stetig
kleiner schritte macht
der spindel
meiner lähmung zu
im schneckenhaus

Dö-Dö-Dong. Die Stimmung im Keller und erste Fragen häufen sich, ob sich heute denn gar nix richtig reimen tuen kann bzw. reimen können tut. Und: Geht, sag ich mal. Denn, um ganz ehrlich zu sein: Die Reimdingsis heute kommen alle aus einer Weltkriegsreserve für die wirklich schlechten Zeiten. Aber ich hab gemerkt, dass ich in Hochstimmung wirklich gar nix lyrisches auf die Matte bringe und da habe ich eben angefangen, die Notvorräte zu plündern. Das ist die Krux am Glücklichsein. Dieser Mangel an Selbsthass macht mich gefährlich unkreativ. Lichtblicke kamen da nur von Amazon, denn irgendeine Schlampe, bzw. bleiben wir gendergerecht, irgendein Horst Wessels meinte, meinem Bauch „Im Moor“ genau EINEN Stern geben zu müssen. Ich meine, einen! Hast du schon mal einen Stern gegeben für ein Buch, dass Du nicht gut fandst, dem Du aber angemerkt hast, dass da ein bisschen Arbeit und guter Wille drinsteckt? Ich hoffe nicht, denn sonst bit du ein riesengroßes Arschloch! Wie muss ich mir so ein Ein-Sterne-für-Bücher-Geber_innen_Leben vorstellen? Ist das eher Frust über die eigene Scheiße von Leben oder einfach nur böser Wille? Denn, ich muss dazu sagen, dieses Buch, zumindest das E-Book, gibts gerade wegen einer undurchschaubaren Amazon-Werbeaktion für fünf Tage für Umme. Nix. Das dumme Schwein zahlt nix, aber gibt erst mal einen Stern. Ach, herrlich.

Ich muss sagen, es geht mir schon wieder besser. Also schlechter. Gibt also keinen Grund sich Sorgen zu machen. Es fließt schon wieder. Aber nicht mehr heute. Tschüß.

anerkennung

geht, gespannt wie eine feder
sieht, wie jeder vor den plaetzen steht
die arme weit gestreckt, gereckt den hals
hinauf, die augen keck dem kampfgericht
entgegen; laecheln. fest. verwegen

liegt zitternd im bett, der magen
verkrampft; duerr wie ein brett, verbissen
und verbittert

erzaehlt nicht von traeumen, verschlossene
miene haelt alle gefuehle gefangen
und zaehlt die vergossenen traenen der lieben
nicht, sucht nach vergangenem, findet nur schemen
des alten verlangens und sieht ein gesicht
verzweifeln im scheinwerferlicht