TL;DR Mach Dich ehrlich, Mann. Du bist ein durchschnittlicher Typ mit einer verfickten Multiplen Sklerose im System. Einer lausigen Krankheit, die eine wunderbare Entschuldigung für alles Mögliche ist und von Zeit zu Zeit den Mitleidsbonus aktivieren hilft.
Schlittenfahren
Dichten ist wie Schlitten fahr’n
Mit Fingern Tasten und mit Lippen Klippen überfahr’n
Bei mieser Sicht und off’nem Mund
Dem dunklen Grund entgegen reimen
Über-, mittel-, unklomplexe Sätze in ein Loch zu schrei’n
Und doch im Zweifel… nichts zu meinen, unverstanden sein
Ach, bin ich nicht ein Glanzpoet
Der Rebellion?! Ich tanze auf dem Totenbett
Und übe schon wie Orpheus in der Unterwelt
Die Ode auf die Liebe anzustimmen
Und den toten Vollidioten Leidensschaft zu bringen
Bringt nur nix. Ich singe und sie schweigen
Wie es sich gehört für Vollidioten
Leider machen’s nur die Schlauen und die Toten
Also wieder hoch, den Hügel rauf
Und auf der Kuppe Lieder schmettern
Um mit Schwung den Hang hinabzubrettern
Weil es Spaß (und Denken nebensächlich) macht
Und zwischendurch Herrn Sisyphos zu retten
Der den Stein zum Teufel jagt und fast ein bisschen lacht
Ach, Dichten ist wie Schlitten fahr’n
Herab! Und ab und an ein Tränchen züchten
Und, wenn’s gilt, sein Fähnchen stramm im Wind,
Ins Ungefähre flüchten. Lachen, Weinen aufzuschichten.
Ist wie Schlitten fahr’n, in voller Fahrt zu schreiben
Niemals stehen bleiben
Und dem Nichts ein paar famose Reime
Unter’s Näschen reiben
Hi, Matthias hier. Das hier ist die sechsundsiebzigste Folge des Koffer-Wörter-Podcasts und ganz im Ernst: Scheiß drauf. Scheiß auf alles in mir drin, das zur Mäßigung und zur Verständlichkeit mahnt. Ich hatte ein handwerklich sehr solides zweites Reimdingsi geschrieben, und das ist jetzt einfach mal im virtuellen Papierkorb gelandet und soll verfaulen. Es war in einem Maße durchschnittlich furchtbar, das mir die Schamesröte ins Gesicht treibt. Manchmal, vielleicht kennst du das, lieber Koffer, erfasst mich die Sucht, von allen geliebt und bewundert zu werden und heidewitzka, ist das eine narzisstische Kackscheiße. Wie alt bist Du, Matthias? 16? Ich glaube, ziemlich viel in diesem Gehirn ist immer noch 16 und das ist einerseits ja ganz nett wegen sich nicht alt und fertig fühlen, denn das wäre wohl das Gruseligste, was ich mir so vorstellen kann. Andererseits aber: arme Sau. Ehrlich. Mach Dich ehrlich, Mann. Du bist ein durchschnittlicher Typ mit einer verfickten Multiplen Sklerose im System. Einer lausigen Krankheit, die eine wunderbare Entschuldigung für alles Mögliche ist und von Zeit zu Zeit den Mitleidsbonus aktivieren hilft. Weil du beispielsweise nicht mehr Gitarre spielen kannst, denn es fühlt sich an wie wenn ein Riese einen Hochspannungsmast streichelt. Also notdürftig das Klavier angeschlagen und einfach die vier bis fünf Akkorde immer weiterspielen, du du beherrscht. Nicht weil Du es kannst oder willst, sondern weil es irgendwie heraus muss. Und dann sind mir such die 1-Sterne-Rezensionen bei Amazon für mein lausiges Buch egal. Denn es ist mein Buch, ich habe es genauso, Satz für Satz und Wort für Wort mit meinem lausigen Stil und mit meiner lausigen Geschichte vollgeschrieben und wenn dir das nicht gefällt, dann fickt dich halt und get a Job. Schreiben ist mehr als in Kategorien passen, als Plots entwerfen und Charaktere zu entwicklen. Das Leben, Arschloch, ist keine Netflix-Serie, und auch das Darüber-Schreiben lässt sich in keinem scheiß-fick-verkackten Autorenkurs lernen. Und Stil… Ja, Stil! Hör mal in die Klavierbegleitung rein, DAS ist lausiger Stil, pathetische Pfuscherei. Aber komm mir nicht mit Stil bei Texten, denn die folgen Regeln, die nur ich allein bestimme. Das ist Sprache, und dafür gibt es keine objektiven Kriterien, sondern nur ein „Gefällt mir“ oder ein „Gefällt mir nicht“ und that’s it. Alles andere ist Opferlyrik. Leute wie Du haben die Dilettanten zu einem Schimpfwort gemacht und das ist genau das, was die Kunst und alle Liebe zu ihr tötet.