EKW16 Tinder-Trilogie

Hallo du toller Mensch, der/die du noch immer meinen Podcast hörst. Das ist gar nicht so selbstverständlich, du könntest ja schließlich auch stumm und wütend Fleisch in Dich hineinstopfen oder durch Tinder-Bildchen hindurchwischen. Vielleicht weißt du auch gar nicht, was Tinder ist und verstehst vor diesem Hintergrund die Genialität des heutigen Folgentitels gar nicht. Ja, lach nicht. Es gibt Menschen, an denen ist Tinder, das ja auch schon wieder ziemlich angestaubt ist, kompletto vorbeigegangen. Das vergessen die Twitter- und Insta-Häschen da draußen gerne schnell. Dabei hast du selbst nur so irgendwie mitgeschnitten, was dieses TikTok eigentlich ist und fühlst dich gleich ziemlich alt, wenn ich dir jetzt sage, dass dein hippes Instagram heute 10 Jahre alt geworden ist. Die „Tinder-Trilogie“, so heißt die Folge heute. Und Igor hat mal ein bisschen für uns recherchiert, was es damit eigentlich auf sich hat:

Igor

Das Handy summt und Igor stöhnt,
Denn was er sieht, nein, das versöhnt
Den Igel nicht. Der wirft enttäuscht
Das Handy weg mit „F•CK!“-Geräusch.
„Ich wollte doch bloß ein paar Schnecken
Checken und dann niederstrecken“,
Sagt er stark frustriert zum Dachs,
Der lax durchs Gras am Waldrand stakst.
Und Igor folgt. Soll doch der Finder
Seines Handys dieses Tinder
Und die ganzen geilen Schnecken,
Sie sich darin wohl verstecken
Soll’n, versteh’n. Doch Igor hat
Die miesen Penisbildchen satt.

Gleich mal ein riesengroßer Disclaimer: Es gibt keine Penisbilder bei Tinder. Hat es nie gegeben. Wird es nie geben. Weil die Typen auf Tinder nämlich ausschließlich zärtliche Kuschelhasen sind, die potentielle Geschlechtspartner/Innen mit ihrer humorvollen Art zum Lachen bringen wollen. Denn das ist es doch, worum‘s eigentlich geht. Um‘s gemeinsam Lachen. Nicht um Penisse und nicht ums Jahresbrutto. Dafür gibt’s Elitepartner. Ich bin in einem Alter, ich hab Freunde, die völlig ironiefrei Elitepartner nutzen. So verzweifelt sind die. Irgendein Comedian hat das vor vielen Jahren auf die Formel „Reste ficken“ gebracht und NEIN! Das ist entmenschlichend. Niemand sollte Rest sein. Aber das ist eben der Unterschied zwischen dem Sollen und dem Sein. Ich als Empiriker sage: Es gibt ihn, diesen Rest. Ich bin dieser Rest bzw. könnte dieser Rest sein. Hab ich noch letztens zu Fredo gesagt und er hat das überhaupt nicht abgestritten.

Krass sachliche Romanze

Wir trafen uns in Hasselberg, der Autobahnraststätte
Ich hatte ihr Foto auf Tinder geliked
Und sie sofort „Hey ;)“ Voll die Nette!

Sie wollte ein Nudie, ich hab es geschickt
Zwei Stunden gewartet und auch eins gekriegt
Und denk noch „Die faked, jede Wette!“

Ich poste Emojis, so Herz, Einhorn, Wein
Wo ich halt denk: Könnt was für Mädels sein
Und einen Tag später schickt sie einen Link
Mit Geodaten aus Hessen
Ein Rasthof, laut Foursquare ein Reinfall: Es stinkt,
Voll teuer und sauschlechtes Essen
Darunter ein Foto plus Datum plus Zeit
Und scheiße das Foto war geil!
Beim Shooting, kein Scherz, war sie richtig breit
Und ging mit ´ner anderen steil.

Ich noch so zu Fredo: „Das meint die nicht ernst!“
Und er so: „Wir fahren da hin!“
Und samstags um elf sitz ich da und, kein Scherz,
Ich seh sie und mir klappt das Kinn.

Haare zum Klettern, Rapunzel und so!
Gesicht wie gemalt und ein J.Lo-Po!
Und sie so: „Was kann ich dir bringen? Hallo.“
Und ich nur so: „Alles?“ Von Sinnen…

Ihr Name war Jenni mit einfachem i
Hey, Jennifer Lawrence war nichts gegen Sie
Der Arsch nicht, und auch nicht die Titten.

Am Sonntag hab ich sie bei Tinder gelöscht
Sie stank halt voll übel nach Fritten.

Ich hab ja in Folge 11 schon mal viel über die Liebe gesprochen und: das finde ich das wirklich ehrliche an Tinder. Matchen, Chatten, Daten heißt es auf der Startseite, nicht „Alle 37/10-Sekunden zwingt sich ein verzweifelter Idiot sich in eine andere verzweifelte Idiotin zu verlieben“. Liebe ist dabei nicht ausgeschlossen, im Gegenteil. Wir frickeln uns das schon irgendwann so zurecht, dass wir’s ohne rot zu werden Liebe nennen können. Aber wenn das wenigstens alle auch mal zugeben würden, wär schon viel gewonnen. Stell dir vor, du stehst da auf dem Empire State Building und wartest auf diese eine Liebe und die kommt nicht und dann siehst du jemand anderen dort stehen, der/die zwar nicht die/der eine ist, aber auch ganz nett. Und nu? Ihr geht nach Hause? Really? Wenn die Welt so funktionieren würde, wär‘ nach Adam und Eva aber mal gar nix mehr gekommen! Die Alte, die ihm den Apfel reingedrückt hat und der Alte, der 100 Jahre lang mit diesem passiv-aggressiven Du-bist-Schuld-Mantra durch die Dornen rennt. Die wären einfach mal verbittert und verbiestert gestorben und heutzutage würden alle Echsenmenschen-Dschungelcamp gucken. Liebe ist gleich Interesse minus Alternativen mal Überwindung.

Oder, sie kommt einfach von tiefstem ganzem Herzen:

Schabe im Herzen

Isch habe eine Schabe
Die Schabe hab isch lieb
Ihr lieblisches Gehabe
Hat misch das Hirn zersiebt.
Die Schabe aß den Kuchen
Isch aß den Kuchen auch
Um dort nach ihr zu suchen
Schwupps! War sie in mei’m Bauch.
Die arme kleine Schabe!
Hab sie in misch versenkt
So wollt isch’s immer haben
Im Herzen, zwar… Geschenkt.

P.S.: Ich habe einen Kurzausflug in einen befreundeten Podcast gemacht. Der heißt „Roboter und Pilze und ich hab ihn in den Shownotes verlinkt (hier: https://open.audio/library/tracks/94334/). Timm Süß, ein Podcast- und Sound-Tausendsassa ist unter die Zeichner und Illustratoren gegangen, dokumentiert seine Fortschritte in diesem Podcast und er und ich haben ein kleines Joint-Venture veranstaltet in dem er gezeichnet hat und ich gedichtet. Ist cool geworden.

Und damit zum letzten Reim-Dingsi von heute. Hat eigentlich nix mit Tinder zu tun aber schon was mit Liebe, irgendwie. Und ich musste es unbedingt heute noch in die Folge reinbekommen, weil doch die Physiknobelpreise verliehen wurden und dieses Gedicht, also thematisch… Hör‘s Dir einfach an und wenn’s nicht klick macht. Kein Problem, hat bei mir auch gedauert. Tschüss und bis zum nächsten Mal!

Die Schützes von nebenan

Im Zentrum der Milchstraße
Sitzt eine Quetsche
Die hat einen Schwager
Der neben mir wohnt

Im Zentrum des Schwagers
Erhitzten gefletschte
Vergoldete Brücken
Die Nachbarin schon

Im Zentrum der Nachbarin
Quietschen der Wäsche
Die Spitzen entzückend
Durch dürren Beton

Im Zentrum der Spitzen
Spritzt liebes Gequietsche
Auf goldene Brücken
Dynamisch im Ton

Im Zentrum des Quietschens
Schwitzt glücklich die Quetsche
Galaktische Schwaden
Dem Schwager zum Lohn

EKW015 Epitaph für eine Wespe

Epitaph für eine Wespe

Die Wespe an der Scheibe klebt
Im Grunde so, wie sie gelebt
Hat: Provokant und eher hässlich,
Dabei stets, und das verlässlich,
Störend auf die Art und Weise
Die ich als perfide preise.

„Preise“, ja! Aus Pietät,
Die man wohl stets dem Dichter rät,
Spricht dieser über tote Wesen:
Stets im Guten, nicht im Bösen
Sollte so ein Nekrolog
Gehalten sein, den man vollzog.

Nun denn. Die edle Wespe war
Bestimmt, das glaub ich ganz und gar
In ihrer Wespenhaftigkeit
Unübertroffen. Stets bereit
Zu stehlen, rauben und zu morden
Wozu sie erzogen worden.

Bis sie selbst zum Opfer wurde:
Fenster offen und absurde
Mengen Obst hinter der Scheibe.
Leichte Beute, denkt sie, bleibe
Ich doch gleich für länger da,
Was dann auch ihr Verhängnis war.

Denn summ, schleck, wumms! Die Fliegenklatsche
Saust. Die Wespe wird zu Matsche
(Spätestens beim dritten Mal
Denn vorher bog sie sich vor Qual…)
Stimmt, so ein Ende ist betrüblich
Wenn auch regional recht üblich

Anderswo mag man mit Büchern
Schuhen, Spray und feuchten Tüchern
Ähnliche Erfolge feiern
Hier jedoch besteht man bleiern
Auf die Klatschenvariante.
Wohl auch, weil man sonst nichts kannte.

Klebt sie also an der Scheibe
Wo sie, während ich dies schreibe
Und erzähle, immer noch
Dort festhängt. Wo sie einstmals kroch.
Und ganz vielleicht als Garnitur
Auch kleben bleibt? Ich mein ja nur…

Hi, Matthias hier. Hattest Du ein schönes Wochenende? Meins war feiertagig, falls das ein Wort ist. Ich könnte auch sagen „feierteigig“, denn ich hab Bienenstich gebacken. Das hat länger gedauert, als gedacht, war aber sehr lecker und ich hab einen Bienenstich-Vierzeiler gereimt. Wenn du in die Shownotes guckst, findest du dort sogar den Link dazu. (https://kraehenpost.antville.org/stories/2293122/). Du wirst gleich vielleicht ein bisschen überrascht oder sogar empört sein, aber das, was ich in meinen Reim-Dingsis beschreibe, das ist manchmal gar nicht passiert. Tja. Tatsächlich. Zumindest nicht 1:1. Es gibt und es gab zum Beispiel gar keine Wespe, die über der Obstschale am Küchenfenster klebt. Nope, nie passiert. Tatsächlich klebt sie am Arbeitszimmerfenster, ganz ohne Obst, ich schau grad drauf, wenn ich ein bisschen rechts am Bildschirm vorbeilinse. Ich hab ihr wirklich mehrere Chancen gegeben, durch das gekippte Fenster wieder zurück ins Freie zu fliegen. Hab wie verrückt mit einem Asterix-Comic herumgefuchtelt. Aber sie wollte nicht. Ich hab auch keine Fliegenklatsche hier, sondern hab die Wespe mit der Rückseite meines iPhone Xr zerquetscht. Mit nur einem Versuch. Und weil wir gerade Anfang Oktober haben, bin ich davon überzeugt, dass die Wespe auch gar nichts zu fressen gesucht hat, sondern eine Bleibe für den Winter. Ich darf mich wohl ganz offiziell Königinnenmörder nennen. Wobei: Mörder? JuristInnen würden dem wohl wiedersprechen. Einerseits wegen der fehlenden Menscheneigenschaft der Königin. Andererseits aber auch wegen des Fehlens eines eindeutigen Mordmerkmals. Du kann das gerne mal durchprüfen und mir dein Ergebnis mitteilen.

Im Fall des nächsten toten Insektes möchte ich ein ursächliches Mitwirken an dessen Ableben sogar vollständig bestreiten, wobei, wie du noch hören wirst, ich durchaus Schuld bei gewissen menschlichen Protagonisten sehe.

Die Fliege

Im Bücherschrank, bei Kierkegaard,
Wo Wahrheit nah am Wahnsinn lag,
Sah ich sie eines Tages liegen,
Still, verkrümmt. Die Stubenfliege.

Offenbar belesen hat
Sich dies Tier noch bis ins Grab
An den letzten großen Fragen
Abgeplagt. Ich muss schon sagen:
Heidewitzka und Respekt!
Hab nie ein Insekt entdeckt
Das mit solcher Leidenschaft
Sich des Sinnens stiller Kraft
Bis zuletzt befleißigt hat
Ob erfolgreich? Keiner sagt,
Keiner weiß es. Denn nun lag
Sie vertrocknet (und zwar arg)
Im Regal. Und sah geplagt,
Fast vergrämt aus. Ich erschrak!

Was, wenn uns’re Philosophen,
Diese klugen (manchmal doofen)
Denker/innen all die Zeit
Mit den Fragen, die sie weit
Häufiger als Einsicht fanden,
Die Insektenwelt zuschanden
Und zugrund‘ gerichtet haben?
Weil die Fliegen, Käfer, Maden
All die paradoxen Schleifen
Durchaus sehn, doch nicht begreifen
Konnten. Und dann sehr frustriert
Ihres Lebens verlustiert
Und abhanden ‚kommen sind…

Möglich wär’s! Ich nahm geschwind
Meinen allerbesten Besen
Und lies diesem armen Wesen
Ein Begräbnis ersten Rangs
An der Wand des Bücherschranks
Hinter Hegel, Marx und Kant
Angedeih’n. Und wenn ich mal
Müde von des Denkens Qual
Mich erinnern will, wie gut
Großhirnschmalz beim Denken tut,
Zieh ich Hegel, Marx und Kant
Aus dem Schrank, schau an die Wand
Und beschau die Fliege: „Dich!
Hat’s vernichtet. Und mich nich!“

Die Fliege im Regal, die gibt’s übrigens wirklich. In Kirkegaards Nähe. Marx hab ich allerdings erfunden. Du hast Dich bestimmt schon gewundert. Natürlich, es gab nie einen Philosophen namens Marx. Ich brauche nur irgendwas kurzes mit x am Ende, das in die Reihe zwischen Hegel und Kant passt und ja, es gibt zwar Horx, diesen selbsternannten Zukunftsforscher, aber so einen aus dichterischen Gründen in meinem Bücherregal auftauchen zu lassen…, puh. Vielleicht bin ich zu eitel. Vielleicht ist es genau das, was dieses mittelmäßige ich von Giganten wie Gernhardt, Schiller oder Kloppstock unterscheidet. Einfach mal einen Horx auftauchen lassen, wenn’s der Sache dient.

„Und Horx! da sprudelt es silberhell, Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er, zu lauschen; Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder.“

Die Bürgschaft, meine Lieben. Friedrich von und zu. Lasst Euch mal nicht täuschen, der kam aus einfachem Hause. Soldaten- und Gärtnerinnen-Kind, der hat den Horx am Schopf ergriffen, skrupellos, er wusste ja: Ich muss noch mindestens die Glocke schreiben, besser zwei, damit’s auch ordentlich bimmelt im Gebälk. Dem Schiller war Prestige mal scheißegal, der wollte einfach nur die Silben perlen lassen.

Perlen ist überhaupt ein gutes Stichwort, denn wir kommen zum nächsten und letzten Todeskandidaten in dieser Folge und der hätte wohl so einiges getan, damit da noch was perlt. Hat es aber nicht, und darum ist er dann, aber hörs Dir einfach selbst an und denkt immer daran: Ich bin hier nur der Bote! Wenn Dir das alles zu furchtbar ist: Auf der Venus soll‘s ganz schön sein. Nur dass es keine Podcasts gibt und keine Atemluft. Ich sag schon mal Tschüss und wir hören uns!

Jonathan

Ein Pottwal namens Jonathan
Schwamm abends in der Bucht
Am Strand.
Es wurde warm, die Ebbe kam,
Da half kein Fluchtversuch.
Verdammt.

Ein Wal im Wasser ist schon schwer,
Doch außerhalb wird’s krass.
Fatal.
Der Auftrieb fehlt ihm dann doch sehr,
Und Jo, so semi-nass,
Litt Qual.

Am dritten Tag ist Jonathan
Im heißen Sand verreckt.
Man denkt:
Wie lange geht das gut? Und wann
Wird er, stark aufgebläht,
Gesprengt?

Es sind elf Tage. Dann macht’s BUMM!
Und Jonathan ist weg.
Vom Strand.
Nur Fetzen liegen noch herum
Und Knochen. Bald bedeckt
Von Sand.

Die Jonathan-Geschichte wird
Von Pottwaleltern gern
Verwandt,
Wenn mal ein Junges rebelliert.
Es hält sich dann sehr fern
Vom Strand.

EKW014 Letztlichkeiten

Der Bauer und der Tod

Es lag im fernen Brønnøysund
Ein Bauernhof. Der schön war und
Auch alt. So wie der Bauer selbst.
Ein weiser Mann. Das klingt gestelzt?
Vielleicht. Doch es ist trotzdem wahr.
Denn als der Mann sein Ende sah
In Form von einer großen Flut
Auf der der Tod ritt (ziemlich gut!),
Da rief der Bauer: „Geilomat!
Der Tod ist hip! Und kühn! Und smart!
Mit diesem Typen geh ich gerne
In die Kiste. Oder Ferne.“
Und Gevatter Tod war cool.
Beruhigt‘ die Flut, schnappt‘ sich ’n Stuhl
Und trank zusammen mit dem Bauern
Selbstgebrannten. Zum Verdauen.
Eine „pinne“ wie man sagt
Am Brønnøysund. Wo niemand klagt
Und niemand lange lamentiert.
„Bereit?“
„Bereit.“
Der Bauer stirbt.
Und niemand in der Gegend hat
Das Grab geseh’n, die Ruhestatt.
Und niemand kennt des Bauern Sterne.
In der Kiste. Oder Ferne.

Hi, ich bin Matthias und manche Themen sind kacke. Da kannst Du Witze drüber machen und verletzt Menschen. Oder du tröstest und andere denken: Fick Dich, Du hast keine Ahnung, Du priviligiertes Arschloch. Oder du hältst deine Klappe und tust dir selbst leid aber so funktioniert das nicht, nicht solange es Gehirne und Tastaturen und Mikrofone gibt… Und du, also ihr, also du bist ja schlau genug. Du weißt wo der Knopf zum De-abonnieren dieses Podcasts ist. Ab jetzt nur noch Gedicht-Dingsis und dann ist der Feiertag auch vorbei und wir machen alle wieder den normalen Kram. Ciao.

Der Orkan steht

Ganz leicht verdruckst
Steht ein Orkan am
Gartenmäuerchen

Ein Liebespärchen fliegt vorbei
Sehr aufgeregt, sehr aufgereiht
Im Kreis

Ein Fleischermeister fliegt vorbei
Er klammert sich an eine Würstchenkette
Grundsolide Handwerkskunst, zu sehen
An den toll gedrehten Zipfelchen
Ob da wohl ein paar Schweinchen
Etwas voreilig gestorben
Worden
Sind?

Ein Fleischermesser fliegt vorbei
Der Unterleib von einem Fleischermeister
Fliegt vorbei
Ein Liebespärchen ist geviertelt worden

Meine Gartenmauer bröckelt
Ist gefünftelt worden
Der Orkan muss weiter

Ein Wölkchen

Die Treppe hoch zum Turm war steil.
Egal, kein Grund, mich zu beeil-
en, oder anzupeilen, dass
Ich schneller auf der Zinne saß.

Das Ziel war klar: Nicht lange sitzen,
Sondern Springen, Fallen, Spritzen
(Blut. Und was da sonst noch spritzt.
Mein erstes Mal. Man weiß ja nix.).

Nichtsdestotrotz. Ich keuchte hart,
Als endlich ich zur Zinne trat
Und runtersah, mit wenig Graus,
Denn plötzlich kam die Sonne raus.

Und all mein Frust, die Depression
War plötzlich fort. Ihr kennt das schon
Aus jedem billigen Gedicht:
Da geht sowas. Im Leben nicht.

Die Sonne jedenfalls schien hell
Wie auch mein Leben. Wow, wie schnell
Das in Gedichten möglich ist!
Ein Wort, ein Reim, die Logik sitzt.

Ich rief: „Oh Sonne, Retterin!“
Und merkte, dass sie kaum mehr schien.
Ein Wölkchen wölkte und verschliss
Das Sonnengelb im Schattenriss.

Es spritzte stark. Damit ihr‘s wisst.

Schwarzes Loch

Unterm Gullideckel, senkrecht abwärts vom Planetenring
Liegt Brunhild
Ruthe-
Möllers
Rest
Im Weg
Diverse Käfer haben sich beschwert
Die Kletterei sei unzumutbar
Andere sind schwer begeistert
Brunhild Ruthemöller hatte gut gefrühstückt
Donnerstag
Und war auch sonst ganz gut im Futter

Gerade Donnerstag
Da wird viel frustgeschissen, sagt das Umweltamt, denn
Das belege die Statistik
Einfach mal ein deskriptiver Fakt
Am Rande
Brunhild Ruthemöller hat Physik studiert und kürzlich abgebrochen
Donnerstag genau
Im Gulli unter dem Planetenring
Ob sie auch frustgeschissen hat, ist nirgends überliefert
Möglich wär’s, die Käfer haben abgestimmt und:
Unentschieden

Brunhild Ruthemöller ist, das lässt das Schuhwerk stark vermuten
Ungeplant unterm Planetenring
Sie wollte doch Physik studieren
Und aufs Klo (davon ist ungefähr die Hälfte aller Käfer überzeugt)
Jetzt ist sie mittendrin
In der Physik und überhaupt
Und alle Käfer klettern wohl noch Wochen lang
Tja
Irgendwas ist immer.

Leslie

Leslie liebte die Stille des letzten Abteils der S5
Richtung Westkreuz –
4-nach. Und dann im Dekadentakt
Niemand um Viertel Sechs würde Dekade…
Auch Leslie nicht. Aber sie denkt es
Dekade, Dekade, Fassade, Nomade
Trifft Grundstücksverkäufer. Peng. Schade.
Sie sagt überhaupt nichts im 4er nach Westkreuz
Als Kaulsdorf zurückbleibt wie neurodermitische Stigmata
Stigmata, Stiefmutta, fick Dich halt hart-ta-ta. Stop.

Leslie liebte die Stille des letzten Abteils der S5
Und sie liebte den Lärm der Gedanken
Gedanken sind frei. Außer Menschengedanken
Die lärmen in Hirnen seit Menschengedenken
Und machst du ein Loch in das Hirn macht es Pfffffff!
Und sie fliegen ins Nichts. Richtung Westkreuz?
Vielleicht gibt es dort eine hirnfreie Zone
Und alle Gedanken, sie kreuzen sich wild
Wie ein Gangbang der Seelen, denn Seele, Gedanke
Der Unterschied ist was für Pfaffen und Zehlendorf
Zehlendorf, Brückengeländer und Seelenschorf. Stop.

Leslie liebte die Stille des letzten Abteils der S5
Aber Ostkreuz? Ist Scheiße. Am Ostkreuz ist Schluss
Mit dem Denken. Dann kommen die anderen.
Still? Ja, um diese Zeit. Aber sie stinken und husten
Und starren und tuscheln und schleifen ihr Bein hinterher
Himmel! Ostkreuz. Der Himmel für schleifende Beine
Die Klugen verstecken sich. Riesige Over-Ears wummern
In glänzenden Farben versprühen sie Leck-mich-
Ich-kann-auch-Karate-und-Boxen-Just-name-it
Sie riechen nach Rauch nur ein bisschen vom Schlauchen
Hat Leslie geschlaucht? Ja dann fick Dich halt hart, Mutti. Stop.

Leslie liebte die Stille des letzten Abteils der S5
Und sie liebte das Blau ihrer Nägel, ein himmlisches Blau
Nur die Form ist… Ja, fick Dich halt, Mutti
Du weißt doch: Wer kaut, muss nicht fressen, nicht kotzen, nicht sterben
Ja, such‘s dir halt aus. Isso. Fick Dich halt hart, alte
Mutti. Ein komisches Wort. So wie Jannowitzbrücke
Wie Lebenslauf oder Verhängnis. Ja, fick Dich halt hart.
Die Frau Jannowitz hat ihren Kerl überlebt, sagt das Netz
Ziemlich lange. Hat Party gemacht, aber bitteschön laut.
Jetzt ist sie vorüber. Die Frau. Und die Brücke, die Jannowitz
Brücke, die dösige Zicke, die Nägel sind scheiße, sagt Jannowitz. Stop.

Leslie liebte die Stille des letzten Abteils der S5
Sie fuhr nie bis, war nie am Westkreuz gewesen, im Swinger-Club
Für die Gedanken und Seelen und alles dazwischen
Vielleicht irgendwann, wenn sie kann
Überhaupt Ihr die Jannowitz nicht in die Quere kommt
Mit ihrer Brücke, der Spree und dem eisigen Wind
Da hat auch das Blau ihrer Nägel versagt und das Kauen
Vielleicht hat die Mutti sich endlich beruhigt und dann irgendwann
Steigen sie beide um 4-nach ins letzte Abteil und die Mutti kann flennen
Ja fick Dich halt, auf ihrem Platz bis zur Jannowitzbrücke
Zur Jannowitz, Leslie, zum Brückengeländer, ja fick Dich halt, rüber und
Himmlisches STOP.

EKW013 Udo und andere Zwerge

Wasserfall

Die Mutti quietscht am Steuerrad
Das Heck bricht aus, sie fängt es grad
Noch ein und ruft verzückt: „Wie schön!
Habt Ihr den Wasserfall geseh’n?!“

Man sollte wissen, dass die Dame
Mit Familie und dem Krame
Den der Mensch zum Reisen braucht
Im Norden weilt, wo Nebelhauch
In Fjorden wallt, auch Baum und Strauch
Mit weißem Schleier sanft verhüllt
Und wilde Täler milde füllt.
Kurzum: Hier ist ein Wasserfall
Ein Fall von „Gähn“! Denn überall
Ergießt sich kühle Flüssigkeit
Aus Fels und Quell und macht sich breit.

Insofern sei dem Rest der Brut
Verzieh’n, wenn sich kaum Regung tut
In ihren Augen, und man kalt
Und hart sich in die Sitze krallt
„Ach Mutter!“ stöhnt’s von hinten her,
„Ein Wasserfall, ich werd nicht mehr…!
Tu uns und dir ein Gutes und
Gefährde uns nicht ohne Grund.
Wenn du das Lenkrad nächstes Mal
Verreisst, dann nicht für’n Wasserfall!“

Die Mutti schmollt und schaut erbost
Nach rechts, wo wild das Wasser tost.
Und schweigt, bis sich ihr Mund verzieht,
Als sie ’nen Troll beim Duschen sieht.

Hallöchen, mein Name ist Matthias und heute mach ich eine Sendung über Zwerge. In der bereits gehörten Reimansammlung, das werden die Wachen unter Euch festgestellt haben, ging‘s allerdings nicht um Zwerge, sondern um einen Wasserfall und einen Troll. Drauf geschissen, sag ich mal! Ich hab meinen Tolkien gelesen. Ich kenne den Unterschied. Nur liebe Hörerin, lieber Hörer: Es gilt eine Sendung zu füllen und da ist mir der Unterschied zwischen Trollen, Zwergen und anderen Gudruns aber sowas von schnuppischnowski! Ich hätte noch Zwergengedichte O-H-N-E Ende auf Lager, aber die sind so schlecht, die willst du nicht hören! Ich hab hier einen ganzen Ordner mit Gedichten auf dem Computer, die sind so schlecht, ich könnte einen Krieg gewinnen, einfach, indem ich ein paar Ausdrucke hinter den feindlichen Linien verteile. Irgendwann, wenn ich mal betrunken oder vollkommen übermüdet bin, wird ich mal ein paar von den Dingern vorlesen. Aber heute, heute(!) gibt an dieser Stelle ab jetzt nur noch zertifizierten und absolut hochwertigen Zwergencontent, Word!

Zwergenaufstand

Was wär das schön am Fjord von Bergen
Gäb’s nicht Ärger mit den Zwergen
Die dort, an der Küste lauernd,
Die Touristen hauen. Dauernd!

Selbst die ollen Trolle schmollen
Wenn die Zwerge Ärger wollen.
Das Geschäft mit Kreuzfahrtschiffen
Lahmt, weil Zwerge in den Riffen

Hocken und mit Stockfisch werfen.
Alter! Das geht auf die Nerven!
Und es stinkt! So dass schon Schiffe
Vor den Übergriffen kniffen.

Darum hat die Handelskammer
Angestachelt vom Gejammer
Trotz Protestes aller Zwerge
Zwergenbann verhängt in Bergen.

Ich war ja in Norwegen dieses Jahr. Zu Besuch, versteht sich. Zwerge und Trolle sind dort allgegenwärtig. Trolle vor allem und vor allem natürlich in den Souvenirshops in der Nähe der großen Touristen-Hot-Spots. Wobei Hot-Spots in Norwegen zu Zeiten von Covid-19 natürlich eine etwas andere Besdeutung hat als, sagen wir, im Vatikan an einem stinkformen Osterfest. Teilweise war es so leer, man hätte ich ganze Mannschaft zum Essen einladen können und hätte sich das sogar fast ein bisschen leisten können. Und du kommst natürlich zum Nachdenken, während du durch die Regale mit den Trondheim-Tassen und den putzigen Trollfiguren für umgerechnet 50 EUR streifst. Die Züge einiger der vom Regal starrenden Trolle wiesen durchaus Ähnlichkeit mit Gesichtern von Politiker*innen auf, die ich schon im deutschen TV gesehen habe.

Kazad-dûm

Der kleine König saß bequem
In Mazarbul, doch das Ekzem
Auf seinem Hintern juckte bald,
Im wurde heiß, ihm wurde kalt,
So dass der ganzen Zwergenschar
Um ihn herum bald bange war:
„Der Alte brütet etwas aus…“
Da poltert‘s schon aus ihm heraus:
„Ich hör es murren!“ poltert er,
„Das Volk der Zwerge braucht mich mehr
Als je zuvor! Als seinen Herrn!
Kommt! Lasst uns einen Troll wegsperrn!“
„Die Trolle, mein Gebieter, sind“,
Sagt einer kriecherisch geschwind,
„Die Trolle sind schon lange fort.
Sie sollten weg, jetzt sind sie dort,
Wo keiner sie mehr sehen kann
Und bauen uns ´ne Autobahn.“
„Scho‘ recht…“ Der kleine König hebt
Die Hand, die Zwergenmenge bebt,
„Holt einen dieser Trolle her!
Und lasst ihn frei, mit viel Geplärr!
Und dann, wenn alle es gehört,
Dann hetzt das Arschloch und zerstört
Sein Haus, sein Auto, seinen Pass
Und jagt ihn fort. Das schürt den Hass
Und bringt uns Credibility
Im Reich der Zwerge ein. Und wie!“
Gesagt, gejagt. Der Troll ist bald
Ein Klumpen Matsch, so ist das halt
Im Reich der Zwerge immerdar,
In Kazad-dûm, in Moria.

Als viele Jahre später dann,
Längst hatte man die Autobahn,
Der König spät zum Essen kam,
Da faucht ihn seine Tochter an:
„Grad musste ich im Fernsehen sehn,
Dass Trolle an der Grenze stehn!
Sehr arm und hungrig schaun sie aus!
Ey, das verdirbt den Abendschmaus
Und jegliche Gemütlichkeit!
Komm Vater, schau und jag die Leit‘
Zum Deibl, wo sie hergekroch‘n!
Mir is Wurscht, in welches Loch ’n!“
Hatten sich die Biester also
Rasch vermehrt, der König stahl, so-
Bald es ging sich aus dem Haus
Und sandte seine Schergen aus.
Sie waren schnell zurück, sehr bleich,
Bis einer schließlich, merklich weich
Die Knie, zum Zwergenkönig trat
Und ihm die böse Botschaft sagt:
„Es sind unendlich viele, Herr!
Nach meiner Zählung sogar mehr
Als siebzehn, ach! Als achtzehn gar
Und alle schrecklich undankbar
Für all die Arbeit, die wir ihnen
Immer gaben, uns zu dienen!
Einige markieren auch
Krankheit, halten sich den Bauch,
So als hätten‘s überfressen
Sich die Mägen! Währenddessen
Unsere Experten sagen:
‚Schmarrn! Die hänn do nix im Magen!‘
Und das Schlimmste: Überall
Die Journaille, sog I mal,
Und sobald du einen Troll
Nur ein bisschen zwickst, wird voll
Draufgehalten! Und gesendet!
Wois do jeda, wie des endet!
Zack – sind alle Grenzen offen
Und die Linken schwer betroffen!“
„Na! Na! Na!“ Der König lehnt
Sich zurück. Er reibt und dehnt
Sich die Finger. Denkt kurz nach,
Schmunzelt und schlurft ins Gemach.
„Lasst sie mal ein bisschen toben.
Trolle streicheln. Lasst die Wogen
Sich verziehn im Lauf der Zeit.
Bittschön, ja? I kenn die Leit.
Irgendwann hab‘n sie genug
Und wolln nur ia Ruah zuruck
Dann ist uns‘re Zeit, wir jagen
Alle Trolle fort und sagen
Dass sie unsre Töchter schänden.
Damit lossn wos dann bewenden.
Des hat passt scho immerdar
In Kazad-dûm, in Moria.

Zwerge, oder? Saubande, sog i mal! Aber Zwerge gibt’s eigentlich überall.
Icxh kenn z. B. einen, der hängt direkt bei mir in der Kneipe an der Ecke, bei Traudel hinter der Theke. Und wie das gekommen ist, das weiß jeder hier in der Straße. Viel Spaß jetzt mit „Traudels Law“ und bis die Tage!

Traudels Law

„Ich hatte Doppelkorn bestellt!“
Brüllt Udo, ganz der Mann von Welt.
„Und du kommst mit ’ner Plörre an,
Mit der man Blumen gießen kann!
Eins sag ich dir, dat geht zurück,
Hol ma den Chef nach vorn, du Stück!“

„Is schlecht grad“, sagt die Kellnerin,
„Der liecht tot inne Küche drin.
Und willste nich daneben liegen
Trinkste aus und machst die Biege!“
Ist natürlich alles Käse:
Flugs hängt Udo im Gebläse
Über’m Herd und Udos Blut
Tropft plörrig in die Ofenglut

EKW012 #borderlineoctober

Mach mal Dein Fenster auf! Es riecht nach Herbst. Es ist Herbstzeit. Die von der gefährlichen Sorte. Die sich noch nicht so richtig bekennen kann. Die sich einfach noch ein bisschen am guten, alten Sommer festhält. Die es schafft, die Sonne noch mal aus dem Bett zu prügeln: Leuchte, Du Sau, leuchte!

Leistungskontrolle

Seit vier Milliarden Jahren scheint
Die Sonne schon an Himmel rum.
Insofern mag man’s ihr verzeihn,
Dass abends, wenn wir schlafen tun,
Auch uns ‚re Sonne untergeht,
Für ein paar Stunden nur, is klar,
Und anderswo am Himmel steht,
Denn morgens ist sie wieder da.

Von viel gereisten Menschen hört
Man, dass, wenn sie woanders strahlt,
Sie dort viel länger scheint. Das stört
Dann doch. Denn wofür bitte zahlt
Man Steuern, wenn die gelbe Sau
In and’ren UNO-Mitgliedstaaten
Feiern geht! Und hier, genau (!),
Erstmal den Rausch ausschläft. Wir warten!

Was erlaubt sich dieser Ball?
Wir sind ihr wohl nicht gut genug?
Im besten Fall nur zweite Wahl?
Bei voller Lichtgebühr? Betrug!
Drum stehn die Ältesten im Land
Am Morgen gern mal früher auf
Und kontrollier’n noch mal von Hand
Den festgelegten Sonnenlauf.

Hi. Für diejenigen, die heute zum ersten Mal reinhören: Mein Name ist Matthias, ich veranstalte hier so eine Art täglichen Podcast-Poetry-Slam und Herbst ist meine absolute Lieblingsjahreszeit. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das für viele notorische Vers- und Reimschmiede der deutschen Poetry-Slam-Geschichte gilt. Schlag mal deinen Conrady auf und vergleiche die Anzahl und Qualität der Frühlings- und Aufbruch-Vers-Dingsies mit Anzahl und Qualität der Herbst- und Verfall-Vers-Dingsies. Oder in kurz: Performance-Battle zwischen Mörikes Blauem Band und Trakls Verfall. Für alle vom #TeamBlauesBand: Verpisst Euch. Aber ich merk gerade, ich muss das vielleicht noch mal ein wenig elaborieren, bevor ich wieder grundlos Menschen beschimpfe. Wobei: Mit grundlos meine ich nicht, dass ich keinen guten Grund habe. Sondern, dass der eine oder die andere den guten Grund aus Mangel an Vorbildung vielleicht einfach nicht kennen kann. What-ever, von vorne:
Erstens: Conrady. Lange Zeit eine Art Referenzkatalog relevanter deutscher Lyrik von Walter von der Vogelweide bis jertzt. Inzwischen wo Bücher vor allem auf eBay verotten, hat sich das auch wieder relativiert, aber sich einen gut erhaltenen Conrady anzuschaffen, hat noch niemandem geschadet und pimpt das Bücherbrett ordentlich auf.
Zweitens: Frühling versus Herbst. Okay, ich versuch dir gerade ins Gehirn zu gucken. Dein kulturrelativistisch geschultes 21st-Centrury-Brain ist bestimmt noch dabei, eine schlaue Antwort auf die plakative Scheiße zu formulieren, die ich gerade von mir gegeben habe. Und ja, es hast Recht. Und ja, natürlich ist die Frage Frühling vs. Herbst eine reine Geschmacksfrage und nein, das ändert überhaupt nichts an meiner Aussage: Frühlingsanbeter verpisst Euch.

Danke.

Und bevor ich zum Herbst zurückkomme: Gedichtesammlungen von alten weißen Conradies sind immer hegemonialer Abwehrkampf gegen kulturelle Gegenbewegungen, das ist mir schon klar. Doch: Vide, ut amici prope, sed hostes propius sint! = Schau, dass die Freunde nahe, aber die Feinde näher sind.

Huch, du bist ja noch da? Warum ist Herbst so ein Thema? Wahrscheinlich, weil wir Schreibtischtäter*innen sind. Und im Herbst, da kann man sich endlich ohne schlechtes Gewissen wieder auf den kuscheligen Stuhl vor dem Schreibtisch setzen und über die Realität in unseren Köpfen nachdenken. Dunkelheit in und außerhalb der Köpfe tut ihr übriges und es kommt einfach guter Hör- und Lesestoff dabei heraus. Aber wenig Lustiges. Und das ist okay. Für „lustig“ geh einfach schön nach Youtube hin, da kannst du Katzenbabys beim „Drollige-Dinge-Machen“ zugucken, bis die AfD Bundeskanzler ist und Katzenbabys verbietet. Das haben die nämlich vor. Steht 1:1 so in „Mein Kampf“. Informier Dich einfach mal.

Widerstehe der Semantik!

Widerstehe der Semantik
Des Altweibersommers nachzuhängen!
Schneller als du Semasiologie gegoogelt hast,
Hängt schon die erste reife Dame irgendwo am Baum
Und harrt der Ernte.
Fallobstschicksal zu entrinnen ist
Das oberste Gebot,
Denn:
Wer will eingekocht, zerteilt und vakuumverglast
In Kellern harren?
Denk ich hier als einziger
„Schneewittchen“?
What?

Widerstehe dem Alterweibersommer,
Dieser MILF der Jahreszeiten!
Hat das Beste schon erlebt und wartet auf den Sturm,
Die Ernte, auf das große Futtern und Verfüttert werden.
Nüsse fallen, Äpfel rotten und Kastanien platzen
Schier vor Neid, nur
Eckern buchen Korsika
Zu Nebensaisonpreisen
Plus Coronaabschlag.
Sonne tief und irgendwie obszön
In ihrer Torschlusspanik,
Spinnenfäden fliegen durch die Morgenluft
Und setzen sich dem blondgefärbten Lehrerinnenrest
Auf Kopf und botoxlahme Züge.

Widerstehe dem September,
Fürchte den Oktober
Und umarme Regenwolken
Wie ein kühles Bett im Juli.
Buntes Laub ist saisonaler Bäumisch-Dialekt
Bedeutet: tot. Zum Fressen
Freigegeben und
Kastanien zu begraben.

Hängt die reifen Damen
An die Oberleitung,
Uns vor dieser Jahreszeit
Zu Warnen.

Ich hab mich gerade gefragt, wie man eine Folge sooooo an die Wand fahren kann. Keine Struktur, Publikumsbeschimpfung und Zynismus. Und das zu einem Thema, dass ich eigentlich feiern wollte. Du hast vielleicht schon ein oder zwei Folgen dieses Podcasts gehört und weißt: Es ist nicht immer so schrecklich. Und der Ablauf ist meist so, dass nach einem lustigen und einem seltsamen Reimdingsi meist noch irgendein gefälliger „Rausschmeißer“ kommt. Ja, stimmt schon. Der Spätsommer und der Herbst sind paradoxerweise das, wofür es sich wirklich zu leben lohnt. Alles andere ist mehr oder weniger lästiges Beiwerk. Und du magst das jetzt glauben oder nicht, pathetisch finden oder einfach nur abgeschmackt, aber es ist auch die Zeit, in der ich mir vornehme ein besserer Mensch zu werden. Punkt.

Oktober

In der kalten, köstlichen Oktoberluft
Hinter dem Geflecht der Körbe am Feldrand
Vor dem flackernden Kartoffelfeuer
Spielt ein Schattentheater
Aus tanzenden Kindern und dem letzten Staub der Ernte

Dein Kopf ist gebettet auf einem Stapel frischer Jutesäcke
Deine Lippen schmecken nach Erde
Und deine Augen lachen
Dein Mund sagt lass uns gehen
Wo es weiche Leinenwäsche gibt
Eine warme Dusche und ein Bett
Wo du schön sein kannst und warm

Weit öffnest du das Fenster
Um die köstliche Oktoberluft zu schmecken
Den Geruch des Feuers und der duftenden Kartoffeln
Die Rufe der Kinder zu hören
Und den letzten Staub der Ernte
Vor dem Feuer tanzen zu sehen
Bevor der Tau sich auf die Körner legt
Bevor sie wieder eins sind mit dem Feld
Und alles endet

EKW011 38317

Peter Maffay. Das ist das Niveau. Und damit nichts gegen Herrn Maffay. 1991 veröffentliche er eine Schallplatte mit dem Namen 38317. Und wenn du diese Zahlen in einen alten Taschenrechner eingibst und ihn umdrehst, dann „Whaaaat?!“explodiert dein Gehirn und Du bist total geflashed von diesem Trick, das Word „Ficken“ nicht auf ein Plattencover zu schreiben, auch wenn’s nur darum geht.

Ziehen in der Brust

Was kann denn Liebe sein, wenn nicht Verlust
Von Freiheit, Freuden und Gewinn von Fron
Von Leibesqualen, Spott und Freundeshohn
Was kanns denn sein, als Ziehen in der Brust.

Was kann denn Liebe sein, wenn nicht Verlangen
Und Geschlechtstrieb, nebelhaft verhüllt,
Wo geile Gier aus vollen Poren quillt
Was, wenn nicht Samenstau, verbal verhangen.

So ist die Liebe nur ein Feigenblatt
Des Geistes für den Arterhaltungstrieb
Und birgt denn nichts als auch die Lüge hat?

So gibt, was ich Dir liebeslüstern schrieb
Nur Selbstaufgabe Sinn und sagt Dir statt
„Komm lass ‚ma bumsen“ zart „Ich hab Dich lieb“.

Ich hab Dich übrigens auch lieb. Das Sonett und die Liebe, das hört irgendwie zusammen. Das hat Gründe und die heißen Italien und Petraca und Dante und dann auch Shakespeare und weiße wat, das kannste alles bei Wikipedia nachlesen, denn Podcasts, in denen vornehmlich Wikipedia vorgelesen wird, find ich, gelinde gesagt, scheiße. Und weisse, wat ich auch scheiße finde? ZU viel Gelaber über einfache Dinge, die nur deshalb kompliziert sind, weil Menschen beteiligt sind und Menschen sind, genau wie Podcasts, in denen vornehmlich Wikipedia vorgelesen wird, gelinde gesagt: scheiße.

D & D

Allein weil sich Möwe auf Löwe gut reimt
Ist längst nicht semantische Deckung gemeint
Das kann man zum Beispiel bei den beiden sehn:
Der Löwe heißt „Dieter“, die Möwe „Doreen“

Die Möwe liest Krimis, der Löwe hört Pop
Er will dauernd kuscheln, die Möwe mag’s grob
Er singt gern beim Töten, sie singt überall
Und isst fast nur Sushi, er gerne mal Dal

Er putzt sich sehr häufig, sie findet das eher
Arg etepetete, das nervt sie schon sehr
Und fragt sich mitunter, ob Dieter auf Zeit
Der richtige ist, doch das bringt sie nicht weit

Denn Dieter verdient gut, der Dieter hat Geld,
Doreen hat nur Dieter, sonst nichts auf der Welt
Sie müsst, um auf eigenen Krallen zu stehn,
Was lernen, ’nen Job suchen, Arbeiten gehn

Das ist ganz schön mühsam, ach Dieter ist schon
Okay, stets bemüht und beflissen und so,
Und braucht eine Möwe denn eine Vision?
Der Dieter hat Geld! (Ach, das hatten wir schon…?)

Ihr Lieben, die Sache ist hochkompliziert
Und fragt man den Dieter, wirkt dieser frustriert
„Ach, hätt ich!“ schnurrt Dieter, und putzt sich pikiert,
„Dem Vogel die Flügel bloß nie amputiert!“

Öffentliches Ärgernis

Kerstin küsste an der Küste
Birgits Brüste
Holger sah durchs Okular
Das holde Paar
Und rannt‘ im Schockzustand zum Strand
Wo er sie fand
„Vermiest mir nicht durch wüste Lüste
Meine Küste!“
Rief er während er knietief
Durchs Wasser lief
Doch das ging schief: Er fiel
Im Priel und triefte.
Kerstin keuchte viel
Und Birgit schniefte
Bis zum Kuss
Am Schluss
Wenn das die Küste wüsste…

Es ist nämlich so: Die Liebe ist der reinste Klamauk. Einfach ein Bündel absurder Paarungsermöglichungsemotionen, das nach und nach durch Nestbautrieb und Durch-Dick-und-Dünn-Parolen ersetzt wird. Es muss allerdings Durch-Dünn-Und-Dick-Und-Zurück-heißen. Zumindest im Durchschnitt und das ist ja ganz praktisch, wird der Sarg nicht so teuer. Liebe gibt’s. Sie ist sozial und biologisch sinnvoll und damit hat sich die Sache. Aber wie das so ist mit der Natur: Es gibt totgefahrene Katzen, Massenaussterben und auch sonst läuft nicht alles nach Plan. Nicht nach unserem Plan, zumindest.

rhapsodie in woll

´schab nix von dir gehört, woll
has‘ allet stehn und liegen
lassen, allet nur mein herz, woll
dat bisse noch am biegen

ischasse dieses lied, woll
wat du so gern gesungen
has‘, fand‘s echt voll krass und toll, woll
dann bisse abgesprungen

´schweiß ganz genau, wat du, woll
als nächstes bis am planen
dran, hols‘ dir die alte flex, woll
und schneids‘ mein herz auf. amen.

Und dann kommt die eigene Gefühlskacke ins Spiel. Die Zeit, nach er du ewig auf den Bildschirm starrst, weil Sprache ein echt mäßiges Tool ist, um den Gefühlskram in Dir drin auszudrücken und irgendwie festzuhalten oder loszuwerden. Es ist meist auf perverse Weise beides gleichzeitig und wenn Du nicht gerade Symphonien schreiben, Facebook gründen oder ein paar Leute entlassen kannst, dann bist du mit der Scheiße alleine. Manchmal sogar jahrelang, weil’s nur in Deinem Kopf passiert ist und du das What-if-Spiel immer weiter drehst

Moleküle

Der Haufen Kohlenstoff und Wasser lacht
Ich hab ihr Quittenmarmelade, Charme und Twitterwitze mitgebracht
Wir rauchen Zigaretten, so wie früher, als wir noch unsterblich war’n
Lass uns zur Hölle fahr‘n, sag ich
Und sie: Die schöne Marmelade!
Ist dabei sehr schön, wie damals in der Achterbahn, als sie ganz nah
Zehntausend Kilometer unerreichbar war
Obwohl nur eine handbreit Treueschwur dazwischenlag
Der Haufen Kohlenstoff und Wasser bläst ein Wölkchen Träume in die Nacht
Sie ist ein echter Mensch geworden
Schaut mich an: Küsst du mich noch?
Denn für verpasste Chancen gibts vom Teufel keine Orden
Weißt ja gut Bescheid, sag ich
Und doch
Hab ich’s gemacht

wenn du gehst

du sagst mir, dass du gehen willst
weil unser leben nicht genügt
dass deine schönheit nicht mehr gilt
und auch dein lachen nicht
aus angst, dass es mich bald zu oft belügt
die hände nicht, die mich so oft berühren müssen
und auch mein finger nicht, der deinen mund verführt
weil deine beine nicht genügen, die ich küsse
wie auch das offne fenster nicht
an dem wir uns bei regen lieben und geborgen wissen

packst kisten für den schmuck, den ich dir schenkte
und die ironischen geschichten, die ich schrieb
was von den ersten deiner briefe blieb
den weihnachtsstern, den ich ans fenster hängte
schlägst eilig in papier die großen pizzableche
die weißen teller, grünen gläser, blauen messer
die uns begleiter waren, zeugen unserer gespräche

und alle bücher, deren seiten eselsohren haben

ziehst unsre betten ab und unsre laken
und alle bilder stellst du an die wand
bestellst die männer, das klavier,
auf dem wir vierhändig zu spielen nie geschafft, zu tragen
und rollst das poster ein
um das wir uns so oft gestritten haben

nimmst deinen mantel, reichst mir deine hand
als sie die kisten schon ins fahrzeug heben
ziehst mich heran und sagst: steig endlich ein
in unser leben

EKW010 Ungeheuer und Gepäck

Ich müsste mir mal einen Namen für Euch ausdenken. Erfolgreiche Podcasts machen sowas. Aus diesem catchy-Namen entsteht dann eine Community, die eigene Contentvorschläge macht, deutschlandweit die Säle füllt, also wenn nicht gerade Corona ist, und dann läuft die Sache mehr oder weniger von allein. „Laufen“ natürlich im Sinne von Podcast-Fame und das ist es ja, worum’s hier eigentlich geht. Also, wie soll ich dich und eine tausend Mithörkumpels nennen? Am besten wär‘s ja, wenn der Name irgendwas mit dem Titel des Podcasts zu tun hat. Ich glaub, ich nenn‘ Euch einfach mal „Koffer“. Genial oder? Jetzt guck nicht gleich so enttäuscht, Du Koffer(!), du gewöhnst dich dran. Ich hab mich schon dran gewöhnt.

Ungeheuer

Es scharen sich ums Lagerfeuer
Lauter laute Ungeheuer.
„Leute“, fragt ein Frosch die Runde,
„Für das Ungeheuerkunde-
Institut der Fachhochschule,
Wo ich für die Pflichtmodule
In Verhaltensforschung lehre,
Frag ich: Womit hab die Ehre
Ich in Eurem Kreis zu sprechen
Ohne Biegen oder Brechen
Oder Angst verspeist zu werden
Von den Ungeheuerherden?“

Plötzlich Stille. Und das eine
Ungeheuer fängt zu weinen
An und ist nicht mehr halten,
Bis sie ihm den Schädel spalten.
„Himmel!“ ruft der Frosch, „das ist
„Äußerst grauenhafter Mist!“
Sagt ein Ungeheuer: „Stimmt!“
Während es den Schädel nimmt
Und beginnt ihn auszuschlecken.
„Fakt ist, Froschgebeine schmecken
Nur mit Ungeheuerbrägen
Frisch geschlürft, der Mägen wägen.“
„Wägen?“ fragt der Frosch. Doch da
Ist er Matsche, ganz und gar.
„Wägen, schmatzt das Ungeheuer.
„Reicht mir mal den Pfefferstreuer!“

Na, wie fandst Du das Gedicht, Du Koffer? Gar nicht übel, oder? Mein Name ist Matthias, ich bin der Gepäcksbeauftragte hier im Podcast und heute geht’s, surprise, surprise, um Ungeheuer. Monster. Drachen. Ist klar geworden, denke ich, oder? Du Koffer?! Du bist wahrscheinlich so ein Edelkoffer. Mit Zahlenschloss. So ein Teil, das man im Flugzeug in diesen komplett dämlichen Verkaufsbroschüren sieht. Hast Du das schon mal beobachtet, dass jemand im Sitz vor oder neben Dir einen Flugbegleiter angesprochen hat und so was sagte wie „Excuse me, I totally fell in love into this classy suitcase. Do you accept Apple Pay?” Irgendwie schwer vorzustellen. “I actually wanna buy 5 of them, for the whole family. Yes, the grey ones… “

Das Thema “Ungeheuer“ oder „Monster“ ist ja schon eine Art home run für mich. Ich hab immerhin eine ganze Podcast-Serie über Monster veröffentlicht. Aber das weißt Du bestimmt eh schon, Du Koffer. Darum finden wir den Dreh, Alltagsängste oder unangenehme Situationen durch Monster-Methapern zu illustrieren auch ziemlich ausgelutscht, oder? Du Koffer?! Regt Dich das in so Promi-Shows auch immer auf, wenn Heather Schwibbelschwabbel ihren neuen Thriller vorstellt und dann ins Interpretieren kommt? Und irgendwas erzählt von „Ja klar, oberflächlich mag der Film so aussehen wie die Geschichte einer großbusigen, kinderfressenden Riesenechse, aber geht’s im Kern nicht eigentlich um die Konfrontation mit unseren kindlichen Urängsten?“ Wer hat Heather Schwibbelschabbel oder – ich will ja nicht sexistisch rüberkommen – wer hat Tom Cruise eigentlich erlaubt, eigene Gedanken öffentlich auszusprechen? Oder schreibt ihnen das Marketing den Scheiß wirklich so auf? Gut andererseits: Wenn sie das nur häufig genug machen, dann wird ihr Selbsthass vielleicht irgendwann so groß, dass sie das Monster einfach sind, versteht du? Du Koffer? Dann verschmelzen sie mit ihrer Rolle, fressen am Ende noch zwei, drei Talkshow-Hosts flüchten danach in die Rocky Mountains.

Mein Monster

Mein Monster ist ein Schild
Auf dem „Frau Rose“ steht
Ein Schild der Bundesagentur für
Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Punkt

Die Bundesagentur für Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Ist ein Scheißverein mit sehr viel Geld und Zeit und vielen Türen
Hinter denen Dinge wie Frau Rose harren
Sehr verhuschte Dinge
Voller Angst und Schüchternheit und Scheu
So dass man sie beschützen muss
Mit Schildern
Monsterschildern
Punkt

So wie das Schild, auf dem „Frau Rose“ steht
Mit einer großen, schweren Zimmernummer
Die viel größer und bestimmt viel schwerer
Als Frau Rose ist
Die Nummer, die das halbe Schild einnimmt
Die Steroid-gepäppelte Schwippschwägerin der kleinen Nummer
Auf dem leicht zerknickten Taschenmonster
Das ich aus der Jacke ziehe
Das sich falten lässt
Ganz anders als das Monster vor der Tür
Das Schild, auf dem „Frau Rose“ steht
Das niemals zittert wie mein Taschenmonster
Niemals nass vom Regen wird
Das keine Kaffeeflecken hat vom Warten
Auf dem Schreibtisch neben dem Computer
Punkt

Das Schild auf dem „Frau Rose“ steht
Kann brüllen, so wie alle Monster
So wie alle Monster brüllt es direkt
Ins Gehirn hinein
Es brüllt, dass ich mir einen Strick…
Moment, brüllt es, das packst du nicht
Spring einfach, brüllt es, aus dem Fenster
Hauptsache, du lässt das sehr verhuschte Dingelchen
Hinter der Tür die Dinge machen, die es gerne dingelt
Stempeln, falten und Kalender drehen
Horst anrufen, weil die Nummer dann besetzt ist
Und das Telefon nicht klingeln kann…
Das Schild brüllt: Siehst du nicht, brüllt es,
Dass du Frau Rose störst beim Dinge Dingeln?
Beim Verhuschte-Horst-Anrufe-Huschen?
Siehst du nicht, das dich dein Taschenmonster
Mit der kleinen Nummer in die Irre führt?
Dein Weg geht geradeaus, den Flur entlang zum Fenster
Geradewegs der frischen Luft und G entgegen
G = Schwerkraft
G = 9
Dann Komma
8
Dann 1
Dann Meter
Mal Sekunde
Zum Quadrat
Herrgott, brüllt es, jetzt spring schon
Aus dem Fenster
Sonst passiert noch was
Und das kann keiner wollen
Punkt

Mein Monster ist ein Schild
Auf dem „Frau Rose“ steht
Ein Schild der Bundesagentur für
Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Punkt

Ich find es manchmal ganz schön tricky, die richtige Balance zu finden, Du Koffer! Ich meine die Balance zwischen Vierhebigem Paar-Reim-Klamauk und weniger zugänglichen Formaten. Ich trau Dir natürlich total zu, auch mal einen Kreuz- oder umschließenden Reim zu ertragen, und natürlich auch den ganzen anderen Kack, von Blankversen über Sonette, Terzette, Marathon-Balladen, Haikus (da fällt mir ein: ich könnt mal einen Reisegepäck-Haiku machen) bis hin zu Dadadaddadings und ungereimter Betroffenheitslyrik. Kann ich machen. Kriegst du hin. Weiß ich. Du bist ja nicht dumm. Du Koffer. Du willst es aber nicht immer. Also Du im Speziellen vielleicht schon, aber nicht Du im Durchschnitt deiner quantitativen Ausprägungsvariationen. Warst Du mal bei Galeria-Kaufhof-Karstadt-Hertie-… Wie heißen die? Warst du da schon mal in der Kofferabteilung? Da gibt’s ja voll die Auswahl und die wollen alle unterschiedliche Reim-Dingsies hören. Und das ist ja das nächste: Du und das ganze andere Sperrgepäck, ihr hört den Scheiß natürlich auch nur. Podcasts sind ein Nebenbei-Medium, ja, that’s a thing, believe me. Wie willste da denn die ganzen Nuacen und Bedeutungsebenen mitschneiden? Das ist doch – Achtung – Überleitung – ungeheuer schwer! Du Koffer! Ich versuch’s einfach mal weiter. Und wenn die Hörer*innen-Zahl dann irgendwann einstellig wird, dann nehme ich auch Wünsche an. Wie so ein Hochzeits-DJ. Apropos – Erstens: Ich hab immer noch riese Probleme, das Wort Apropos zu buchstabieren. Geht dir das auch so? Megakackeschwer, sich das zu merken, finde ich. Und: Bewertung. Das hier ist umsonst und draußen für Dich und alles gut. Ich freu mich aber im Gegenzug mega über Sterne und Worte bei Apple Podcasts. Du Koffer. Tschüss 

Der Wolf

Es stand am Waldesrand allein,
Die Schnauze feucht und hoch das Bein,
Herr Peters, seines Zeichens Arsch
Mit Wohnsitz in der Wesermarsch.

Zehn Meter nur von seinen Haus
Ist Peters, wie so oft schon, raus
Zum Waldrand hinterm Zaun marschiert
Und pinkelt lang und ungeniert.

Er wähnt sich ohne Zeugen, was,
Bei altem Baumbestand und Gras,
Das vor ihm wächst, auch naheliegt,
Bis plötzlich sich ein Bäumchen biegt

Und über junge Triebe bricht
Ein Wolf ins Licht, der hackedicht
Von schwarz gebranntem Fusel spricht:
„Wasmasduhier? Ich… kenndichnich!

Herr Peters, das ist allbekannt,
Ist auch der Chef vom Grundbuchamt,
Dem, wenn er nicht am Waldrand pisst,
Die Ordnung hoch und heilig ist.

So hebt er, als er sich erholt
Vom Schrecken hat, und ungewollt
Den Schniedel fast im Reißverschluss
Geklemmt hat, seine Hand zum Gruß:

„Der Name ist, wie’s auf dem Schild
An meiner Haustür abgebild‘
Gut lesbar für Passanten steht
‚Herr DOKTOR Peters‘. Und, wenn’s geht,

Würd ich, bevor wir beiden jetzt
Den Sachverhalt des Wegerechts
Den Sie, Herr Wolf, ganz offenbar
Sehr anders seh ’n, als Ich ihn sah

Als ich dies Haus am Waldesrand
Mit Waldstück letztes Jahr erstand,
Würd ich zunächst den Dichter bitten,
Meinen Titel, den erstritten

Ich sehr stolz bin, hier im Stück
Bis hoch zum ersten Vers zurück
In voller Länge zu erwähnen.
So viel Zeit sollt‘ man sich n(a)ehmen!“

Das, und hier spricht jetzt der Dichter,
War zwar schlecht gereimt, doch spricht er,
Also Peters, etwas an,
Das erwägenswert ist. Wann

Hat ein Dichter Möglichkeit,
Wenn vielleicht auch nur im Streit,
Einer seiner Hauptfiguren
Mittels Rekursivstrukturen

Etwas mehr Gerechtigkeit
Zu gewähren? Und so sei
Alles, was bisher berichtet
Rückgespult und neu gedichtet:

Neulich also stand am Wald,
Nase hoch und Schniedel kalt,
Dieser Arsch von Grundbuchamt,
DOKTOR Peters, und er stand

Nicht allein. Nur war ihm das
Nicht bekannt. Und als ins Gras
Sein Urin sich tröpfelnd fraß
Brach durchs frische grüne Nass

Dieser Wolf, der, stark betrunken,
Ethisch schon recht tief gesunken
War, und ohne große Dramen
DOKTOR Peters auffraß. Amen.

EKW009 Backe, backe

Backen, oder? Kochen ist okay, aber backen: Hammer. Es ist von tausendsiebzehn Expert*innen schon hinreichend über die Magie des Backens oder auch die fundamentalen Unterschiede zwischen Backen und Kochen philosophiert werden. Ich wiederhole oder ergänze das an dieser Stelle nicht, denn ich bin wenig kompetent und außerdem nähere ich mich den Dingen ja gern vom poetischen Blickwinkel her.

Brötchen backen

Die Brötchen schwitzten dampfend heiß
Im Ofen, wo der Brötchenschweiß
Als herrlich krosser Duft entwich
Und lockend durch die Wohnung schlich
„Steht auf ihr Kinder! Höchste Zeit
Das Frühstück lockt und ist bereit!“
Das schien der Duft sehr leis‘ zu flüstern
Doch er tat es heiß und lüstern.

Allerdings, das sei erwähnt,
Fand sich kein Kind, das müde gähnt,
Um dann, den Duft im Nasenkolben
Diesem aus dem Bett zu folgen.
Vielmehr schnarchte die Familie
Um die Wette, ganz in Spiele
Nächtlich-warmer Traumbetrachtung
Tief versunken. Und Beachtung
Fand das köstliche Buffet
Aus Eiern, Schinken, Früchten, Tee,
Und den erwähnten frischen Schrippen
Nicht beim Rest der trägen Sippe.

Längst schon sind die Brötchen gar
Herausgeholt und liegen da
Im Brotkorb, dampfend, voll Vertrauen
Auf den Tod durch starkes Kauen.
Bis die volle Männerstimme
Ihres Bäckers, nun im Grimme
Des geschmähten Romeos schreit:
„Zum Frühstück, Leute, es wird Zeit!
Und endlich, fünf Minuten später
Steht der erste Schwerenöter
Schlafestrunken in der Tür
Und setzt dann an, noch stark verwirrt:
„Du Papa, ist ja lieb gemeint.
Und ja, es riecht auch toll, wie’s scheint…
Nur könnt’st du eins mal bitte checken
Statt uns andauernd aufzuwecken?
Abends weggeh’n ist okay.
Da kann man seine Freunde sehn,
Was trinken, auch mal mehr, gebongt.
Und wenn man dann nach Hause kommt
Sich in die Küche setzt, mal zwei
Drei Sachen isst, bin ich dabei…
Nur wär’s danach echt cool von dir
INS BETT ZU GEHN. ES IST HALB VIER!

Hi, ich bin Matthias und Du hast Dich, ich kann nur spekulieren aus welchem Grund, in meinen Podcast verirrt. Die Idee zum just gespielten Poem kam mir nach abermaliger Lektüre von Goethes Meister Wilhelm, in dem er schrieb:

Wer nie sein Brot mit Tränen buk,
Wer nie nach durchgezechten Nächten
Hefe zur Erschöpfung schlug
Hat nicht gelebt wie Gott es möchte

Es ist wohl mehr als purer Zufall, dass ich meine Kindheit quasi im Schatten des berühmten Meister-Wilhelm-Denkmals verbracht habe. Das Backen ist mir quasi zweite Natur geworden und darum möchte ich., bevor es mit mehr selbstgeklöppelter Lyrik weitergeht, an dieser Stelle kurz einige Backtipps zum Besten geben:

Erstens: Vanillin ist völlig okay. Klar kannst Du Unsummen für „echte“ Vanille“ ausgeben, aber die Ernährungsalchemisten von Dr. Oetker oder Ruf oder whatever sind weder Idioten noch Terroristen. Spar Dein Geld besser für coole Weihnachtsgeschenke. Und wenn Du partout echten Vanillezucker verwenden willst, dann mach ihn Dir selbst. Vanilleschoten kaufen, in ein Glas Zucker stopfen, warten, fertig.
Zweitens: Du kannst Hefeteig genau nach Omas Rezeptheft machen mit Vorteig und Holzlöffel und 3 mal bei Vollmond gehen lassen und diesem ganzen Foodblogger*innen-Hokuspokus. Oder: Nimm einfach mehr Hefe! Von mir aus auch viel mehr. Hefe riecht gut, Hefe schmeckt gut, Hefe ist einfach geil. Der Geruch von Hefe allein oder auch das Gefühl, minutenlang einen Hefeteig zu kneten, rettet manchmal einen ganzen trüben Tag. Und wenn Du echt auf Kriegsfuß mit Hefe stehst, warum auch immer, man darf sie auch ruhig mit Backpulver mischen. Ja. So fucking what?! Deine Oma ist tot und es gibt keinen Himmel, von wo aus sie strafend runterguckt. Ey, und selbst wenn: Sie kann absolut nichts! Dagegen! Tun! Okay, wenn Du aber, zum Beispiel wegen Histaminen echt nur wenig Hefe verträgst, oder wenn’s mal echt „real“ werden soll – beachte die Tautologie, das heißt, jetzt kommt ein totaler Geheimtipp: Dann nimm wenig Hefe für den Teig und lass ihn eine ganze Nacht im Kühlschrank gehen. Richtig geil. Nur die Schüssel sollte groß genug sein und verschlossen, sonst hat die Hefe am nächsten Morgen den gesamten Kühlschrank erobert. Hefedingsis snd nämlich, was das angeht, kleine Naziarschlöcher.

Der Kuchen

Man saß in altvertrauter Runde
Um den Tisch, in aller Munde
Mischte Kuchen sich mit Speichel
Und mit Tee. ´Ner ohne Zweifel
Exquisiten Mischung aus
Dem besten Bremer Bürgerhaus.

Der Kuchen war aus Rumrosinen,
Margarine, Mohn. Es schienen
Alle Mäuler um den Tisch
Recht stark, doch angenehm erfrischt,
Als plötzlich mitten unter ihnen
Jemand schrie. Und alle Mienen
Der Versammlung wurden starr,
Weil man doch sah, dass niemand da
War, dem den Schrei man zuzuordnen
Wirklich in der Lage war.

Nun mag die eine oder and‘re
Hörer*innen-Hypothese
Wenn der Blick zum Titel wandert
Ahnen, welchem Wunderwesen
Dieser Überraschungsschrei
Am Tisch wohl zuzuordnen sei.
Und klar: Natürlich war‘s der Kuchen,
Dessen Schrei wir nun versuchen
Mit den Mitteln dürrer Lyrik
Stück für Stück zu untersuchen.

Wie ich schon erwähnte, kauten
Alle schon. Insofern traute
Man sich wirklich nicht zu viel
Wenn man auf Backwerkschmerzen schielt
Als Grund für Schrei und dessen Folgen.
Doch gefehlt! Mal ernsthaft: Wollten
Wir den bloßen Teigverzehr
(Plus Deko) hier kausal annehmen,
Nur weil‘s naheliegend wär?
Ja Himmel! Müssten wir uns schämen
Bei den schieren Kuchenmassen
Die wir Tag für Tag verprassen.
Stellt Euch vor: Mit jedem Bissen
Schmerz und Folter! Und das Wissen
Dass, falls später noch ein Stück
Vom Kuchen in den Eisschrank rückt,
Die ganze Scheiße morgen schon
Von Neuem losgeht. Welche Fron…

Jedenfalls: Die Frage bleibt,
Was einen Kuchen denn wohl treibt,
Ein bürgerliches Kaffeekränzchen,
(Oder Tee-, wie ich ergänzen
Muss) durch lauthalse Spirensken
Bestenfalls zu irritieren,
Schlimmstenfalls zu liquidieren!
Schließlich ist’s ’ne Teegesellschaft,
Deren ältere Belegschaft
Kucheninduzierte Schrecken
Nicht verkraftet wegzustecken.
Und von der Natur her ist
Ein Kuchen ja kein Anarchist
Im Gegenteil: Die Hauptbestimmung
Eines Kuchens ist Besinnung,
Sättigung und Lust zu bringen
Sättigung vor allen Dingen.

Gut. Ein Kuchen also, der
Ganz plötzlich schreit. Wer weiß es? Wer?
Gar niemand? Hab ich‘s doch geahnt,
Zu lang schon schwafle ich, da lahmt
Der Spürsinn aller Leser_innen
Schnell. Der Scharfsinn ist von hinnen.
Kürzen wir die Untersuchung
Also ab. Denn so ein Kuchen
Der laut schreit, kann doch bestimmt
Auch reden, wenn er sich besinnt.
Und da von ihm ein großer Teil
Noch immer auf dem Tisch verweilt
Wird die Erzählung hier gestoppt.

Der Kuchen wird am Schopf gepackt
(Also, nicht echt, nur als Metapher)
Und direkt gefragt: „Jetzt schaffe
Bitte ein für alle Mal
Uns allen Klarheit: Hast du Qual
Gelitten, weil du angeschnitten
Wurdest? Was hat dich geritten?“
Und der Kuchen? Er, tatsächlich(!),
Dreht sich um, wenn auch gemächlich,
Bis er uns von Angesicht
Zu Angesicht sieht und dann spricht:
„Jetzt ein für alle Mal, du Pfosten!
Dichterische Freiheit: Ja.
Aber nicht auf meine Kosten!
Und nicht so. Ist das jetzt klar?
Drei! Soll ich es größer schreiben?
Nur DREI Eigenschaften sind
Mir in diesem Reim zu eigen,
Sind wir einig, dass das stimmt?
Und wenn du, nach Beifall haschend,
DAS nicht hinkriegst – ich mein’: DREI! –
Ist es wirklich überraschend
Dass ich dann ein bisschen schrei‘?“
„Nee“, sag ich. „Doch hilf mir bitte
Auf die Sprünge, Sahneschnitte…!“
„NEIN VERDAMMT! ICH BIN EIN KUCHEN!
KEINE TORTE, VOLLIDIOT!“
„Ist gut“, sag ich, „ich werd‘s versuchen.
Alles klar und voll im Lot?“
„Nein, nein!“ ruft er mit düst‘rer Miene.
„Ich bin NICHT aus MARGARINE!
Wie du anfangs einmal sagtest,
Darum schrie ich! Ja das war es!

Bin aus reiner deutscher Butter!
Deutscher Vater! Deutsche Mutter!
Deutsche Kuh und deutsches Gras,
Deutsche Milch aus deutschem Glas!
Alles deutsch! Verstehste? Alles!“
„Alles klar“, sag ich, „ich schnall es.
Du bist halt, wie’s manchmal ist,
Einfach nur ein scheiß Rassist.“
Und ich hebe ich ihn mit Wonne
Hoch und schmeiß ihn in die Tonne.

Kuchen, oder? Alles in allem ein eher hochnäsiges Pack. Ganz anders als zum Beispiel Pizza, dieses demütig-deftige Allerweltsgebäck, dessen Zubereitungsqualität sich seit einiger Zeit aber auch an quasi-rassistischen Kategorien bemisst, nämlich an ihrem Originalitätsgrad. Eine möglichst gute Pizza wird natürlich nach dem auf eine fleckige Serviette gekritzelten Rezept einer verstorbenen italienischen Großmama gefertigt. Wenn möglich auf dem ewig heißen Vulkangestein des Ätnas oder des Vesuvs oder zumindest auf einem 4 Stunden lang vorgeheizten Pizzastein aus zertifiziertem Carrara-Marmor…

Ich hab schon vor langer Zeit beschlossen, bei diesem Pizza-Voodoo nicht mehr mitzumachen und bin dann doch wieder beim Kuchen gelandet. Allerdings in seiner simpelst möglichen Form, dem Rosinenkuchen und der hat beim jahrelangen Abfüttern spontanen Schwiegerelternbesuchs stets zuverlässige Dienste geleistet. Ich hoffe nur, das bleibt so.

Tschüss!

Aufwallung

Wenn Rosinenkuchen beben
Wenn er schaudern könnte
Wenn er, während er am Teller klebt,
Sich festkrallt, seine Kuchenkruste heben,
Senken, Zitternd sich mal öffnen ließe und mal schließt,
So dass der ganze Tisch erbebt
Und alles Plaudern jäh in seiner Plapperlust verstummt,
Mich nach dem Ursprung dieser Störung suchen ließe,
Wenn der Kuchen schrie: Ich hab zum Sterben keine Eier!
(Ach? Ich dachte, vier sein dafür wohl genug…)
Was, wenn er flehte, ob ich ihn mit Freundschaft und
Mit Puderzuckerguss leicht übergießen
Würde oder ihm die Sahne zur Verzierung übertrug?
Was würde dieses Beben seiner Welt die meine rühren!
Sie in Wallung bringen und in dem Versuch, die Rettung zu erringen
Wohl genau das aufgewühlte Schlucken schüren,
Das es braucht, ein räudiges Stück Kuchen zu verschlingen

EKW008 Humphrey

Humphrey hat im Grunde nichts falsch gemacht. Sein Frauchen aber um so mehr. Oder?

Folgentranskript:

möder mups

müder mops du liegst so stille
auf des dichters lesebrille
schaust so mopsig in die welt
während dichters kragen schwellt
schwups, da ist es schon passiert
der poet ist blöd blamiert
statt im duden nachzulesen
ist er zu spontan gewesen
schwellen ist okay, doch schwellt?
dafür gibt’s vom lektor schelt
schwups, schon wieder, blöder hund! er
geht nicht von der brille runter!
mumps, nein, mobst, du dummer köter
pennst hier probst, du schwummerflöter!
auf die peine! prille rauf!
nein, nicht du, mups! ach gebs auf

Humphrey tut mir leid. Das hört sich emphatischer an, als es ist, denn wenn ich darüber nachdenke, dann tut mir Humphrey immer genau dann leid, wenn ich mir selbst leid tue. Mein Mitleid mit Humphrey ist also bei näherer Betrachtung nur das Nebenprodukt meines Selbstmitleids, und ich fürchte, solch ein Schein-Empathie-Muster ist gar nicht mal so selten in der Welt. Vielleicht ist es sogar eher die Regel als die Ausnahme. Aber ich will mal nicht gleich wieder ins Grundsätzliche abrutschen. Wer weiß: Vielleicht bist Du, genau wie ich übrigens, gerade erst aufgewacht und tastest noch halbblind nach dem Sinn Deines Daseins und schwubbeldiedupps wird im ersten Podcast des Tages auf Scheingrundsätzlichkeiten herumgeritten wie auf einem schlecht gealterten Jahrmarktspony. Jahrmarktsponys tun mir übrigens auch leid. Und so sehr ich gerne von mir behaupten würde, das läge einzig und allein am Anblick dieser erbärmlichen Kreaturen, so scheint es mir doch, als sähe ich im Grunde nur mich selbst und meine müde Existenz am Rande einer winzigen Manege immer nur im Kreis herumreiten. Selbst ein Richtungswechsel ist nicht drin und das einzige, was ich zwischen meinen Scheuklappen zu sehen kriege ist ein vor mir trottender Pferdearsch. Aber wer weiß? Vielleicht ist das alles auch reine Projektion. Vielleicht ist Humphrey der glücklichste Hund der Welt und er liebt sein Frauchen abgöttisch. Tja. Vielleicht bin ich der einzige Mensch weit und breit, der Humphreys Frauchen gerne gefesselt und geknebelt an einem Marterpfahl sähe. Wobei das Knebeln wirklich wichtig ist! Denn nur in diesem Zustand hält die alte Plumpskuh zuverlässig ihre Klappe und bölkt nicht andauernd „Humphrey!“ durch die morgendliche Stille! Du merkst schon, dieses Stilmittel, mit einer Geschichte in der Mitte zuerst anzufangen, das beherrsche ich mit großer Virtuosität. Trotzdem, um mal ein wenig Grund in die Sache zu bringen, erzähle ich die Geschichte mal von Beginn an:

Humphrey ist ein Hund. Zumindest glaube ich das, denn ich hab ihn noch nie in meinem Leben gesehen und auch tatsächlich nie gehört. Insofern kann ich präzisieren: Humphrey ist ein äußerst stiller Hund. Nur das Geräusch seines Körpers, wie er durch das Gras und die Büsche hinter unserem Grundstück läuft kann ich manchmal hören. Überdeutlich laut ist dagegen ist das Gezeter aus dem Mund von Humphreys Frauchen. Auch diese Dame hab ich noch nie in Gänze sehen können. Aber ihr „HUMPHREY!“, das kann ich Dir in allen seinen Schattierungen vormachen. Da gibt es dieses kurz angebundene, fast gebellte „Humphrey!“, bei dem man noch denken könnte: Schau an, da ist jemand mit einem jungen Welpen unterwegs und will ihn mit kurzen, präzisen Lauten zu einem folgsamen und treuen Begleiter erziehen. Nur stimmt das ganz offensichtlich nicht oder war zumindest maximal erfolglos, denn diesen Ruf höre ich nun seit mehr als zwei Jahren, direkt unter meinem Schlafzimmerzimmerfenster von der Wiese hinter unserer Gartenhecke. Dann gibt es auch noch ein ähnlich kurzes „Humphrey!“ mit Betonung auf dem längeren „Haaamm“, als würde Frauchen den Hund gerade auffressen und dieser Vorgang würde wie in einem Comic durch ein lautmalerisches „Haaamm!“ illustriert. Am schlimmsten ist aber das noch weit kürzere, „Humphrey!“ bei dem ich, je nachdem eigentlich nur ein ultrakurzes „Hamm!“ oder „Phrey“ heraushöre. Es zeugt von einer ebenso heftigen wie unterdrückten Frauchen-Aggressivität, dass ich wirklich nur hoffen kann, dass diese Dame nicht auch noch Macht über andere Lebewesen hat. Und, wie bereits erwähnt: Humphrey gibt bei alldem keinen Ton von sich. Kein kurzes Bellen oder Protestieren, kein demütiges Jaulen oder streitlustiges Knurren. Ist er schwerhörig? Resigniert? Oder hat er einen Weg gefunden, Frauchen einfach komplett zu ignorieren. Vielleicht spielt in seinem Hundkopf fortwährend ein leicht panisches „Nanananana!“ oder er stellt sich vor, er sei alleine eingesperrt in einem Metzgerladen und hätte alle Zeit der Welt, sich ein ausgiebiges zweites Frühstück zusammenzustellen.

Das zweite Frühstück erwähne ich nicht rein zufällig. Denn Humphrey und sein Frauchen tauchen immer wirklich früh hinter unserer Hecke auf. Wenn ich Glück habe, zeigt der Wecker eine sieben, und unter der Woche ist das dann okay, denn wir sind längst raus aus dem Bett. Aber es kann auch gerne einmal irgendwas mit sechs sein und Wochenende, so wie heute, und dann schwillt in mir der Hass.

Hundstag

Wenn am Kai die Wellen schwellen
Hundewelpen heiser bellen
Wenn das Bellen Blubbern weicht
Kühles Nass die Lefzen streicht
Erste Canoidkadaver
Treiben. „Schau, ein ganz, ganz braver!“
Wenn in lauen Abendstunden
Sich dann Ruhe eingefunden
Hat, das sag ich unumwunden,
Ein Tsunami stattgefunden

Ich habe auf meinen Social-Media-Kanälen bereits mehrfach relativ unverblühmte Gewaltphantasien gegenüber Humphreys Frauchen geteilt. Nun ist mein soziales Netzwerk auch im virtuellen Raum stark begrenzt und diese Gedanken stehen in aller Regel ungelesen und unkommentiert im Raum und zwar auf eine Art und Weise unkommentiert im Raum, dass ich hin und wieder überlege, dass mich andere Menschen einfach ebenso wenig mögen wie ich Humphreys Frauchen. Ich verwerfe diese Hypothese aus Selbstschutzgründen meist sofort. Aber der rational denkende Mensch in mir weiß natürlich: Sooo abwegig ist das alles nicht. Und in Augenblicken, wenn sich mein Denken in diese Richtung entwickelt, in diesen Saugenblicken entwickelt sich mitunter eine Art Empathie für Humphreys Frauchen. Was, wenn sie selbst eine jahrelang weitgehend unbeachtete soziale Existenz fristet? Mit Humphry als einzig verlässlicher Interaktionsinstanz? Ist das denn wirklich so abwegig? Der Klang ihrer Stimme und die Menge an Zeit, die sie täglich in den Hund investiert sagt „Nein, ganz und gar nicht!“ Gut, diese Erkenntnis erscheint bei näherer Betrachtung sogar recht trivial. Und wie herum die Kausalität nun genau zeigt, also ob ihre Einsamkeit zum Hund führte oder ihr aufreibend nerviges Verhalten gegenüber und mit dem Hund zu Einsamkeit, ist dann eigentlich auch egal. Es ist jedenfalls gar nicht auszuschließen, dass all diese enervierenden Humphrey-Rufe letztlich nur verzweifelte Schreie nach Liebe und Beachtung sind und meine Reaktion darauf vielleicht suboptimal, aber immer noch besser ist als gar keine Reaktion.

leierkastenmann

Dann schenken Sie mir einen Grund, dass ich lebe, sagt sie, schenken Sie mir, sagt sie, Ihren Hund. Dann schenken Sie mir Ihren Golden Retriever, sagt sie mir, ach schenken Sie mir Ihren Hund. Ich schenke ihn ihr und sie dankt mir ganz herzlich, sagt sie, vielen Dank für den goldenen Hund. Der Hund heißt Irene, sag ich ihr, da nickt sie, Irene, sagt sie, find ich irgendwie schön. Dann nimmt sie den Grund, dass sie lebt, an die Leine, Irene, sagt sie, du mein goldener Hund. Den goldenen Hund an der Leine verschwindet sie, langsam, die Hand an der Leine den Hund. Da steh ich allein am Geländer und lebe auch ohne Irene und schau auf den Grund.

Mir ist gerade aufgefallen, dass ich bereits eine Menge zu Humphreys Frauchen und überraschend wenig zu Humphrey selbst gesagt habe. Ja klar, ich hab ihn ja auch noch nie gesehen. Sein Frauchen aber auch nicht, bis auf das eine Mal, wo ich morgens schwer genervt zum Schlafzimmerfenster gehechtet bin und über die Hecke hinweg gerade noch einen Hinterkopf erhaschen konnte. Und so rentermäßig bin ich dann doch noch nicht drauf, dass ich Menschen in dieser Situation noch wutentbrannt hinterher schimpfe. Ich hab, ganz ehrlich gesagt, einmal dann doch gemacht, aber das ist eine Geschichte für eine Einzelfolge… Aber ich wollt ja bei Humphrey bleiben. Was ist über ihn noch weiteres zu sagen? Nun vielleicht so viel, und ich bemühe mich jetzt wirklich um das maximal mir mögliche Maß an diplomatischem Geschick: Es ist vollkommen okay, dass es Hunde gibt. Ehrlich. Ich akzeptiere die Existenz von Hunden und werde ihnen, außer es geschieht in Notwehr, auch kein Leid antun. Aber meine ganz persönliche Meinung über Hunde, ihre positiven Eigenschaften und insbesondere ihre Intelligenz betreffend, behalte ich einfach mal für mich. Denn was auch immer ich Negatives über sie zu sagen hätte: Das Aller-Allermeiste fiele letzten Endes auf ihre Züchter- und Besitzer*innen zurück. Und ganz ehrlich: Irgendetwas in mir drin hofft wohl immer noch, dass die Menschheit besser ist als die Summe ihrer durch „HUMPHREY“-Rufe verkorksten Vierbeinerfreunde.

Tschüssikoswki,

Hund

Es lief aus keinem guten Grund
Durchs Viertel einst ein kleiner Hund.
Er hatte Langeweile und
Sah in den Fenstern all den Schund,
Den Menschen kaufen. Beispielsweise:
Latex-Strapse, Bügeleisen,
Bücher voll mit pseudoweisen
Anekdoten von den Reisen
Eines kleinen Hundes, der
Durch die Stadt läuft, während er
In die Fenster schauend schwer
Atmend gern woanders wär.
‚Armer Hund!‘ sann er, ‚Ich nöle
Nie mehr wieder!“ Dumme Töle.

EKW007 Elfenbeinturm

Das ist ja so eine Sache mit Elfenbeintürmen. Einerseits sind sie ökologisch höchst fragwürdig, andererseits sind sie auch aus anderen Gründen das eine oder andere Bombardement durch die NATO wert. Oder UNO. Hauptsache kaputt.

In der Episode erwähnte Links: https://siebenmeilenstiefel.antville.org/stories/348864/

Hinter dem Kaninchenstall

Die Galaxis hinter dem Kaninchenstall
Hat aufgehört, den Löwenzahn zu fressen.
Auch den Ampfer rührt das Biest nicht an und
Vitamine, die es dringend für die Expansion
Bis in die Kleine Magellansche Wolke braucht
Die holt es sich direkt
Von den Kaninchen

Sie ist also ausbaufähig, diese Galaxie
Und auch unser Verhältnis zueinander,
Das zuletzt doch arg gelitten hat unter
Gesteigertem Kaninchenhunger
Dicht gefolgt von stark gesteigertem Verbrauch
Besagter Hasentiere inklusive
All der Sauerei

Mit Galaxien reden – viel gehört und noch
Viel häufiger gescheitert, hört man auf
Die Youtube-Astronomen – Ignorieren!
Heißt es. Oder mit dem Spaten drauf
Das Blutbad hinter dem Kaninchenstall
Ersetzt Dir niemand, junger Freund,
Denn Oma (die mit Taschengeld und Schokolade), die ist tot

Der Ampfer wiederum, der wächst
Wird immer größer! Erst war‘s toll
Dann war das Luftfahrtbundesamt
Am Telefon. Der Russe (oder war’s
Der Ami?) hätte sich beschwert
Wegen der Düsenflieger, die
An Blättern hängenblieben

Einwand meinerseits, wenn erst einmal die Galaxie
Hinter‘m Kaninchenstall so richtig
Blähte, sei es eh vorbei mit Düsenfliegern,
Traf auf taube Ohren und ein Ordnungsgeld.
Was wissen denn Beamte von Physik
Und Expansion und Ampfer und Kaninchen
Nix.

Hi, lass‘ ma über Wissenschaft reden. Ich bin Matthias und natürlich wissen wir beide, du und ich, was Wissenschaft ist. Ich hab Luhmann gelesen, du hast Luhmann gelesen. Also…
Hast du Luhmann gelesen? „Die Wissenschaft der Gesellschaft“? Ernsthaft? Ich meine: Durchgelesen? Oder, besser, durchgehalten? Wirklich? Ich nicht. Luhmanns Buch über die Liebe liegt immer noch hier auf meinem Nachttisch. Seit 15 Jahren! Ich hab mal gehört, „Liebe als Passion“ sei Luhmanns bei weitem erfolgreichstes Buch gewesen, ein regelrechter Bestseller. Und ich sag Dir auch warum: Weil dieses Buch einfach absolut umwerfend aussieht auf einem Nachttisch. Stell dir jetzt mal vor, du hast deinen ersten Übernachtungsbesuch mit dem einvernehmlichen Ziel vor dem Einschlafen sexuelle Handlungen vorzunehmen, und dann liegt da, gut sichtbar für das, ich sag mal höflich, wenn grammatikalisch auch… fragwürdig, also dann liegt da gut sichtbar für das SUBJEKT Deiner Begierde, dann liegt da dieses Buch aus dem Suhrkamp Taschenbuch-Verlag: „Liebe als Passion: Zur Codierung von Intimität“. Das ist quasi das Nerd-Äquivalent zu Diddelmaus-Bettwäsche und einem Kamasutra-Ratgeber. Oder dieser Fifty-Sheets-Of_Grey-Kacke. Wobei Luhmann wohl niemals gedacht hätte, dass ein Bürotacker oder eine Wäscheleine jemals zur Codierung von Intimität benutzt werden können…

Aber wir wollten ja über Wissenschaft reden. Ich bin Wissenschaftler. Ich hab hier direkt neben mir ein ganzes Regal voller Beweise stehen. Und das, obwohl hier nicht mein Schlafzimmer ist und ich mich als zufrieden verpaarten Menschen beschreiben würde. Eine in meinem Fall ParterINNEN-Beeindruckung steht in absehbarer Zeit nicht an. Denn die seit zwei Dekaden aktuelle potentielle Beeindruckungszielperson musste meine Dissertation korrekturlesen und ist auch sonst nicht sonderlich beeindruckt von wissenschaftlichen Statussymbolen. Wie Kongressnamensschildern, Selfies mit Albert Bandura oder roten Nomos-Bänden mit meinem Namen auf dem Rücken. Nein, nein. Die Beeindruckungszielperson bin in meinem Fall ich selbst. Weil ich Wissenschaft nämlich zu 50 Prozent der Zeit mit ihr gehasst, 45 Prozent ertragen und nur 5 Prozent der Zeit abgöttisch geliebt habe. Also anteilsmäßig quasi direkt Gegenproportional zur Zeiteinteilung mit der eben genannten potentiellen Beeindruckungszielperson. Es gibt also von Zeit zu Zeit Beeindruckungsnachholbedarf mit dem Ziel der Selbstwertsteigerung. Besonders hilfreich sind dabei immer die englischsprachigen Journalartikel, an deren Genese ich mich nur noch schemenhaft erinnere und ich denen es nicht selten einfach nur darum ging, andere Forschungsgruppen auf die wissenschaftlich feine Art zu widerlegen.

smart poem

to ace an asshole out: show him
grace and start a smart poem!
liberate his mind! throw him
out of oz, get words goin’
down his throat, let doubt growing
gross amongst his conk! know him
well – but better! then: blow him
down and get his thoughts flowing

Kanntest Du das Wort “conk“? Ich hab einfach den schönsten englisch-umgangssprachlichen Begriff für Kopf im Wörterbuch gesucht, der in diesem Fall auch Nase, Zinken, Knolle bedeuten kann. Und das ist natürlich die Seite von Wissenschaft, die ich total toll und sympathisch finde. Diese internationalen Treffen mit anderen jungen Dilettanten, die genau wie ich selbst im Kongress-Smalltalk die richtigen, clever klingenden Begriffe in Google Translate suchen, oder, weil sie die Nacht vor der wichtigen Präsentation wegen eines bei Dunking Donuts eingefangenen Noro-Virus auf dem Klo verbracht haben, dann am nächsten Tag noch kreidebleicher als eh schon vor den 15 anderen Nerds stehen, die sich auf der ganzen Welt für ein abseitiges Abseitsthema interessieren. Nur können diese sorgsam gehüteten Lagerfeuergeschichten natürlich nicht das Verdrängen, was Wissenschaft häufig ist: Schlechte Bezahlung, Familienfeindlichkeit im Allgemeinen und Frauenfeinlichkeit im Besonderen, Hierarchiegewichse, Stiefelleckerei, autoritäre Kackscheiße und auch sonst jede Menge Zeugs, das eher nach 1950 schmeckt als nach Post-1968.

mein elfenbeinturm

mein elfenbeinturm könnte sein:
ein grauer häuserblock
in dessen küche auf dem tisch
noch nudeln steh‘n
lauwarm und umkreist
von betäubten gesprächen
wie fliegen im november

der flur eine flucht
vorbei an selbstverwalteten
zielvereinbarungen und
eigenverantwortlicher
verzweiflung
meine zelle trug,
darauf habe ich geachtet,
kein zeichen
der verbundenheit:
kein bild des königs von glogmonien
bei der schweinejagt

lange habe ich den tag ersehnt
an dem ich diesen turm mit leichtem spott
in einen vierzeiler verbanne,
einen lächerlichen reim
für seinen namen finde
und ein ehrliches wort
des abschieds
dann fiel mir holger ein, der arme wurm,
der keineswegs schon immer eine waldfee war,
und ich war froh, dass ich nur seinen turm,
und nie sein krankenhaus von innen sah

Wenn du wissen willst, warum Holger, die Waldfee, einst ein Krankenhaus aus Uran sowie einen Elfenbeinturm baute und schwer dafür büßen musste, dann hab ich Dir hier mal was verlinkt:

https://siebenmeilenstiefel.antville.org/stories/348864/

Das alles heißt nun nicht, dass Wissenschaft nicht unglaublich wichtig für mein Leben war. Wer einmal ein dickes wissenschaftliches Buch geschrieben und es gehasst hat, ist danach für jede Zeile dankbar, die er oder sie einfach nur so subjektiv dahinschwafeln darf. Ich hab in der Wissenschaft vor allem die Mittagspausen geliebt, in denen ich mit den Kollegen einfach wild-assoziativ Hypothentürme bauen und wieder einreißen durfte. Da musste nix mit Literatur oder Daten belegt werden. Und es ging auch gar nicht um’s Recht- oder Unrechthaben, es ging einfach nur um die Fülle der Möglichkeiten. What, if…?! Die Galaxis hinter meinem Kaninchenstall, die ist ganz real! Und absolut existentiell wichtig! Für mich. Ganz ohne Logik, Literatur und Impact-Factor. Die Galaxis hinter dem Kaninchenstall hat mir schon einige Male den Arsch gerettet.

Es war einmal ein kleiner Mann,
Der hatte keine Zunge.
Schrieb ´ne Beschwerdemail an Gott
Schwupps! Fehlte ihm ´ne Lunge.

Er nuschelte so vor sich hin,
Kein Wunder, ohne Zunge,
Und schickte Gott `ne Virenmail
Ins Jenseits. Junge, Junge…

Der Schöpfer sah’s und war empört
Und strich ihm dann die Leber,
Ein Bein, ´ne Hand, den Po, ´nen Fuß
Sieht scheiße aus. Sagt jeder.

Im Himmel stürzt der Server ab,
Hier häufen sich die Krüppel,
Extremitäten sind gefragt
Und nirgends sieht man Nippel